Mythos Varusschlacht: Detektivspiel nicht beendet
Neue Forschungsergebnisse haben Ende November gezeigt: Der römische Feldherr Varus war mit seiner Legion in Kalkriese bei Osnabrück. Was bedeuten die Erkenntnisse für die Römerlager in Westfalen?
Unter anderem zu dieser Frage hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seine Expertin für Archäologie der Römerzeit, Dr. Bettina Tremmel, interviewt. Sie sagt: „Das Fundmaterial in Haltern und Kalkriese ähnelt sich. Wir sind ziemlich sicher, dass der römische Feldherr Varus während seiner Statthalterschaft ab 7 n. Chr. seinen Verwaltungsaufgaben auch im römischen Hauptlager in Haltern nachging. Von hier aus dürfte er sich im Sommer 9 n. Chr. mit seinen Truppen auf den Weg Richtung Weser gemacht haben. Kurze Zeit später geriet er dann im ,saltus Teutoburgensis’, im Teutoburger Wald, in den germanischen Hinterhalt – das Ende für ihn und seine Truppen.“
Mit einer neuen wissenschaftlichen Methode hatte eine Bochumer Forscherin nachgewiesen, dass der römische Feldherr Varus mit seiner 19. Legion in Kalkriese war. Die Chemikerin Annika Diekmann hatte untersucht, ob archäologische Fundstücke vom Schlachtort bei Kalkriese den gleichen „metallurgischen Fingerabdruck“ aufweisen wie die Varus-Legionen. Ihre Ergebnisse wurden Mitte November 2022 präsentiert. Damals sagte der Geschäftsführer des Varusschlacht-Museums in Kalkriese gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL: „Wir können sagen, dass die 19. Legion ihren Fingerabdruck in Kalkriese hinterlassen hat.“
Varus war auch in Haltern
Dass Varus in Haltern war, weiß man schon seit langem. „Seine 19. Legion ist bereits vor knapp 60 Jahren in Haltern durch einen besonderen Fund nachgewiesen worden: 1964 hat man im sogenannten römischen Hauptlager einen 64 Kilogramm schweren Bleibarren entdeckt, der die Inschrift ,LEG XIX’, 19. Legion, trug“, erklärt LWL-Archäologin Tremmel. Die neuen Ergebnisse bestätigten jetzt, dass Kalkriese und Haltern eng zusammenhängen.
Mehr zur wissenschaftlichen Untersuchung von Annika Diekmann lesen Sie hier.
Dennoch kann es sein, dass die neue Untersuchungsmethode zu neuen Erkenntnissen führt, die die bisher angenommene zeitliche Abfolge der Geschehnisse im ersten Jahrzehnt nach Christi Geburt in Westfalen auf den Kopf stellen könnten. Denn wenn der gleiche Fingerabdruck auch noch in anderen westfälischen Römerlagern wie Anreppen oder Oberaden gefunden würde, passe etwas nicht in unserem bisherigen Bild, so Tremmel. :„Varus kann in diesen Lagern hier in Westfalen nicht zur selben Zeit gewesen sein wie in Haltern und Dangstetten. Oder die zeitliche Abfolge war anders als bisher gedacht. Wann war Varus wo – leichte Frage, schwere Antworten. Das Detektivspiel ist also noch nicht zu Ende.“
Weitere Untersuchungen in Haltern und in den anderen westfälischen Römerlagern fehlten. Spannend sei dabei die Frage, wie sich die Metallobjekte aus den ältesten Römerlagern an der Lippe wie Oberaden, Beckinghausen und Olfen in die neuen Ergebnisse einfügen würden, erklärt die Archäologin.
jüb/wsp
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