Ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer: Die Fürwiggetalsperre im Märkischen Kreis. Foto: Peter Bell / Oben an der Volme
12.04.2022

Abgeschnitten

Die Sperrung der Rahmedetalbrücke an der A45 trifft Museen wie Gaststätten, Ferienunterkünfte wie Hotels in der Region um Lüdenscheid hart. Staus, fehlende Bahnverbindungen und negative Schlagzeilen halten Gäste fern.

„Oben an der Volme“ nennt sich der Verbund der Gemeinden Herscheid, Meinerzhagen, Kierspe, Halver und Schalksmühle. Gemeinsam machen Freizeiteinrichtungen, Tourismus- und Kulturbetriebe auf die Stärken der Naherholungsregion im Märkischen Sauerland aufmerksam. Die Orte rund um Lüdenscheid sind mit Wäldern, Talsperren und Bächen beliebt bei Wanderern und Ausflüglern aus dem Ruhrgebiet oder auch auch dem Kölner Raum. Seit Anfang Dezember 2021 die Rahmedetalbrücke an der A45 gesperrt wurde, kommen jedoch weniger Besucher. „Zum einen spielen die tatsächlichen Belastungen durch Staus und Umleitungen eine Rolle“, sagt Ralf Thebrath, der im Rathaus von Meinerzhagen für den Verbund zuständig ist. Vielmehr noch leide die Volme-Region aber bedingt durch die Brückensperrung unter einem schlechten Image. „Viele Menschen kennen die Stau-Bilder von der A45 aus den Medien und bleiben daher zu Hause“, berichtet der Freizeit- und Naherholungsbeauftragte.

Beliebt bei Wanderern

Die Region an der Volme kann nicht unbedingt mit großen Sehenswürdigkeiten, Spaßbädern oder Skiliftkarussels punkten. Dennoch, oder vielleicht auch gerade deswegen, sei sie bei Ausflüglern auf der Suche nach Entschleunigung beliebt, sagt die Gastwirtin Caroline Vedder aus Herscheid. Wochenendurlauber, Familien und Wanderer sind in ihrem Restaurant mit Ferienwohnungen seit vielen Jahren zu Gast. In den vergangenen Monaten hörte sie aber immer wieder von Stammgästen, die den Weg in den Märkischen Kreis scheuen. „Obwohl es an den Wochenenden kaum Stau gibt und die Umleitungsstrecken frei sind“, beobachtet sie. Die Brückensperrung treffe gerade den Naherholungsbereich hart, bestätigt der Touristikfachmann Thebrath und erklärt: „Wer für eine Woche oder länger in den Urlaub fährt, nimmt meist auch eine längere Anfahrt in Kauf. Wer jedoch einen Tagesausflug macht, der möchte das nicht unbedingt.“

Torsten Schulze, Geschäftsführer des Erlebnismuseums Phänomenta in Lüdenscheid, spricht von „katastrophalen Auswirkungen“ der Brückensperrung. Im Dezember vergangenen Jahres, kurz nachdem das Bauwerk für PKW und Laster gesperrt wurde, sagten Busunternehmen ihre Touren zur Phänomenta ab, berichtet Schulze und fügt hinzu: „Anrufer fragten, ob sie uns überhaupt noch erreichen können.“ Erschwerend kommt nämlich hinzu, dass auch der Bahnverkehr zwischen Hagen und Lüdenscheid durch Flutschäden langfristig unterbrochen ist. 

Die Phänomenta ist ein Mitmachmuseum, das Naturwissenschaften erlebbar machen möchte. Die Ausstellungsstücke laden gerade junge Besucher ein, physikalische Phänomene unmittelbar zu begreifen. Besuche von Schulklassen aus der weiteren Region sind dort Alltag – eigentlich. „Nach den Corona-Einschränkungen und nun mit der Brückensperrung ist es für uns zunehmend schwierig, Lehrer davon zu überzeugen, mit ihren Klassen zu uns zu kommen.“ Fünf Jahre werden für die Sprengung der alten und den Bau einer neuen Autobahnbrücke veranschlagt. „Wir halten das keine zwei Jahre durch“, kommentiert der Phänomenta-Geschäftsführer.

"Farbenforschen" in der Phänomenta in Lüdenscheid. In dem Museum können physikalische Phänomene selbst ausprobiert werden.

„Farbenforschen“ in der Phänomenta in Lüdenscheid. In dem Museum können physikalische Phänomene selbst ausprobiert werden. Foto: Phänomenta

Sebastian Wagemeyer, Bürgermeister von Lüdenscheid, kennt solche Befürchtungen. Er spricht von einem „schwierigen Spagat“ in Sachen Verkehrsführung. Autofahrer sollen nicht davon abgehalten werden, die Stadt zu besuchen: „Wir müssen auf der einen Seite den Umleitungsverkehr, der durch die Stadt rollt, so weit wie möglich reduzieren. Andererseits wollen wir aber zeigen, dass Lüdenscheid und die Umgebung nach wie vor ein attraktives Angebot für Besucher haben.“ Wagemeyer, der gleichzeitig Bürgerbeauftragter der Bundesregierung für den Neubau der Rahmedetalbrücke ist, plant eine Imagekampagne, die sich mit Plakaten an Autofahrer richtet. Humorvolle Sprüche („Seit neuestem haben wir ein neues Lieblingsgemüse in Lüdenscheid: Staudensellerie“) sollen entlang der Umleitungsstrecken auf Restaurants, Einzelhandel oder eben Museen aufmerksam machen. Wagemeyer hofft, dass die Botschaften ankommen. Er sagt deutlich: „Davon hängt die Zukunftsfähigkeit der Stadt und der Region ab.“

Annette Kiehl, wsp

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