21.12.2021

Adventskalender – Tür 21

Plätzchenbacken und Geschenkeinkauf, Weihnachtsdekorationen und vor allem viel gutes Essen und Trinken: Was heute ein selbstverständlicher Teil der Adventszeit ist, war bis ins 20. Jahrhundert hinein kaum üblich. Die Adventszeit war eine Vorbereitungs- und Fastenzeit, berichtet Christiane Cantauw von der Kommission für Alltagskultur beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe. 

„In großen Teilen der Bevölkerung war Weihnachten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein Kirchenfest“, sagt die Ethnologin. Kaum vorstellbar heute: Geschenke hatten damals eine eher geringe Bedeutung. Allenfalls Kinder und Dienstboten erhielten Gaben. Die brachte aber eher der Nikolaus am 6. Dezember und nicht das Christkind.

Laute Musik, Tanzveranstaltungen und Feiern mit hochprozentigen Getränken: All das war in der Adventszeit eher verpönt. Der 24. Dezember galt als Abstinenztag vor dem christlichen Hochfest Weihnachten. „Man sollte sich körperlich und seelisch auf das Fest vorbereiten. Es wurde gebadet, in einigen katholischen Familien gab es eine Hausweihe und vor allem ging man früh zu Bett, um an der Christmette in den frühen Morgenstunden des 25. Dezembers teilzunehmen“, berichtet Cantauw. Gefeiert wurde die Geburt Jesu erst an diesem Tag. Am reich gedeckten Tisch gaben sich die Familien dann der Völlerei hin, die auch heute noch mit Weihnachten verbunden wird. 

Wandel zu bürgerlichem Fest

Weihnachtliche Grußkarte aus dem Jahr 1915, die von einem Soldaten in die Heimat geschickt wurde. Foto: Archiv für Alltagskultur, LWL

Weihnachtliche Grußkarte aus dem Jahr 1915, die von einem Soldaten in die Heimat geschickt wurde. Foto: Archiv für Alltagskultur, LWL

Mit dem Wandel von Weihnachten hin zu einem bürgerlichen Fest, das seinen Mittelpunkt in der Familie hat, änderten sich auch die Rituale. Der Advent war in diesem Zusammenhang weniger eine Zeit der inneren Einkehr, sondern galt vielmehr der Vorbereitung auf die Feiertage. „Die bürgerliche Hausfrau war im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Haushalt und die Repräsentation auch verantwortlich für das Fest. Alles für die Familie schön herzurichten, galt als Ausweis ihres Hausfrauenfließes“, beschreibt es die Alltagskulturforscherin. 

Der Einzelhandel erkannte das wirtschaftliche Potential von Weihnachten bereits vor rund 200 Jahren, zeigen historische Anzeigen. Sie warben rund um das Weihnachtsfest und Neujahr für Briefbögen, auf denen Kinder ihre Wünsche fürs neue Jahr aufschrieben, Importwaren wie türkische Feigen und Marzipan oder Luxusartikel wie pelzgefütterte Handschuhe. Vielfältiger wurden die Waren um Laufe des 19. Jahrhunderts: Spazierstöcke, Hosenträger, Schlittschuhe und sogar Badewannen wurden Kunden rund um Weihnachten angeboten. Mit dem großen Konsumfest Weihnachten, so wie es heute durchaus üblich ist, hatte das aber wenig zu tun, sagt Cantauw: „Erst mit dem Wirtschaftswunder konnten breite Bevölkerungsgruppen daran teilhaben. Egal wie wir heute den Shoppingwahn bewerten, war das doch auch eine Demokratisierung des Konsums.“ 

aki/wsp

Adventskalender

Blicken Sie mit uns hinter die Türen des WESTFALENSPIEGEL-Adventskalenders.

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Kultur"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin