Adventskalender Tür 7
„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wird 50 – aus diesem Anlass haben wir einen Beitrag aus dem Jahr 2011 aus dem Archiv geholt. Lesen Sie hier, wie der Kultfilm nach Deutschland kam und was ein Sauerländer damit zu tun hatte.
Kultureller Grenzverkehr
Der Sauerländer Gert Kaspar Müntefering schrieb Fernsehgeschichte. Er holte einen tschechischen Märchenfilm nach Deutschland, der heute im Weihnachtsprogramm Kult ist.
Jedes Jahr im Januar verwandeln sich Aschenbrödel aus ganz Deutschland in Prinzessinnen mit wallenden Kleidern. Nach einem fürstlichen Mahl tanzen die meist jüngeren Frauen auf der Burg Bilstein im Sauerland zu mittelalterlicher Musik, um die anwesenden Prinzen – darunter manche in adretten Strumpfhosen – zu verzaubern. Zum Pflichtprogramm der „Aschenbrödel-Partys“ gehört die Vorführung eines Spielfilms, der viele der Gäste erst zu wahren Märchen- und Kostümfans gemacht hat: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“.
Seit 1975 läuft Václav Vorlíceks tschechischer Märchenfilm, eine Variation von Grimms „Aschenputtel“, regelmäßig zur Weihnachtszeit im deutschen Fernsehen und ist zum Kultfilm geworden. In einigen Jahren strahlten ihn die öffentlich-rechtlichen Sender bis zu 16-mal aus. Die Anhänger des Films pilgern nicht nur zur Aschenbrödel-Party auf der Burg Bilstein, sondern auch an die Originaldrehorte des Films: Die Moritzburg, wo die Szene entstanden ist, in der Aschenbrödel ihren Schuh verliert, lockte mit der Sonderausstellung „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ im Winter 2009/2010 mehr als 150 000 Besucher ins Dresdener Umland.
„Ich fand ihn wunderbar“
Ohne Gert Kaspar Müntefering aus Neheim-Hüsten im Sauerland wäre „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ vermutlich erst Jahre später im deutschen Fernsehen gelaufen. Der damalige Redakteur für das Kinderfernsehen des WDR sah den vor einer Winterkulisse spielenden Film in einem „sozialistisch überhitzten Vorführraum“ in Prag. „Ich fand ihn wunderbar“, sagt der 76-Jährige heute.
Weil es nun aber in jenem Jahr zusätzliche Spannung zwischen der Bundesrepublik und der DDR gab – die DDR-Grenzposten hatten einen Berliner Jungen in der Spree ertrinken lassen und westliche Hilfe verhindert – , unterbrach die ARD ihren kleinen kulturellen Grenzverkehr. Müntefering erwarb „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ dennoch über ein Filmbüro in der Schweiz und damit auch die sehr gute Synchronisation der Defa. So kam der Film ins westdeutsche Fernsehen, wo er schnell ein Publikumserfolg wurde.
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Doch warum weckt gerade dieser Märchenfilm bis heute solche Begeisterung? Er hat Humor, eine gute Ausstattung und mit Libuše Šafránková eine reizende Hauptdarstellerin, nennt Gert K. Müntefering einige Vorzüge des Films. Dazu komme „die emanzipatorische Seite des Mädchens“: Denn Aschenbrödel beeindruckt den Prinzen nicht nur mit ihrer Reit- und Schießkunst, sondern auch mit ihrem selbstbewussten Auftreten und ihren kessen Sprüchen. Für das Jahr 1975 noch ungewöhnlich!
Eine wesentliche Änderung nahm Müntefering allerdings an der deutschen Fassung des Märchenfilms vor: Bei der Filmmusik des berühmten Komponisten Karel Svoboda (bekannt etwa durch die Titelmelodie der „Biene Maja“) ersetzte er die Stimme des Schlagersängers Karel Gott durch eine Oboe. „Ich fand das Lied kitschig. Aber Karel Gott war damals sehr beliebt. Das war so, als ob man heute Hape Kerkeling ablehnen würde. Weibliche Fans nehmen mir das bis heute übel“, erzählt Müntefering amüsiert.
Fernsehgeschichte geschrieben
Rund zwölf Jahre zuvor, 1963, war der Journalist, der auch als Autor beim WESTFALENSPIEGEL tätig war, von einer Lokalzeitung zum WDR gewechselt. Bald lernte er tschechoslowakische Kinderfilme wie „Clown Ferdinand und die Rakete“ kennen und schätzen. „Die Tschechen verbanden Komödie und Tragödie und verstanden es, romantische Szenen zu drehen, die nicht kitschig waren.“ Die westdeutschen Märchenfilme in jener Zeit empfand der WDR-Redakteur als zu „operettenhaft“, die ostdeutschen oft „ideologisch fixiert“.
In jenen Jahren schrieb Müntefering Fernsehgeschichte – nicht nur, weil er „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ in den Westen importierte. Begeistert von einem Pilotfilm namens „Pan Tau“ über einen Zauberer mit Anzug und Melone auf dem Kopf überzeugte er das tschechoslowakische Fernsehen, gemeinsam mit dem WDR eine Serie über Pan Tau zu drehen. Ebenfalls zusammen mit dem tschechoslowakischen Fernsehen produzierte er die Serien „Die Märchenbraut“, „Der fliegende Ferdinand“ und „Die Besucher“. Den Zeichentrickfilmer Zdenek Miler gewann er, Kurzfilme mit dem „Kleinen Maulwurf“ für den WDR zu kreieren, die dann in der „Sendung mit der Maus“ liefen.
Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz
Apropos: Auch die Idee und das Konzept der „Lach- und Sachgeschichten“ mit der großen orangefarbigen Maus und dem kleinen blauen Elefanten stammen von Müntefering. Dafür erhielt der Sauerländer später sogar das Bundesverdienstkreuz. Zudem entwickelte er Kindersendungen wie „Der Hase Cäsar“ und war 1977 an der Verfilmung von Max von der Grüns „Vor- stadtkrokodilen“ beteiligt.
Mittlerweile lebt Gert K. Müntefering mit seiner Frau in Berlin. Bis vor kurzem lehrte er als Honorarprofessor für Kinderfernsehen an der Universität Kassel, gerade hat er ein Filmdrehbuch geschrieben. Bei dem Stoff geht es, so viel darf schon verraten werden, parodistisch um die Zukunft der Märchen im Jahre 2028.
Martin Zehren
An folgenden Terminen ist der Film im Fernsehen zu sehen:
10. Dezember: um 12:30 Uhr im hr, um 14:00 Uhr im RBB und um 15:40 Uhr im SWR
16. Dezember: um 15:00 Uhr im NDR
17. Dezember: um 15:50 Uhr im MDR
24. Dezember: um 13:15 Uhr im Ersten, um 15:05 Uhr im NDR und um 20:15 Uhr im WDR
25. Dezember: um 9:40 Uhr im Ersten, um 16:35 Uhr im MDR und um 23:00 Uhr im SWR
26. Dezember: um 16:35 Uhr im RBB
31. Dezember: um 12:00 Uhr im KiKa und um 14:40 Uhr im hr
6. Januar 2024: um 11:15 Uhr im BR
Zusätzlich ist der Film auch bei einigen Streamingdiensten darunter Netflix und Prime Video oder ARD Plus sowie in der MagentaTV Megathek im Angebot.