In vielen Gemeinden fehlen Hausärzte. Foto: Martin Bedenkender / pixelio.de
15.01.2020

Ärztemangel: Gemeinde Neuenrade betreibt Hausarztpraxis

In Neuenrade hat Anfang des Jahres die erste kommunale Hausarztpraxis in NRW eröffnet. Das Medizinische Versorgungszentrum gilt als Pilotprojekt im Kampf gegen den Ärztemangel.

Die Hausarztpraxis wird von der sauerländischen Gemeinde Neuenrade betrieben. Sie pachtet die Praxisräume, stellt Ärzte an und trägt die Gesamtverantwortung. Für Bürgermeister Alois Wiesemann bietet dieses Modell eine Lösungsmöglichkeit für ein drängendes Problem: „2018 gab es in Neuenrade noch sechs Allgemeinmediziner, die alle älter als 60 Jahre sind. Die Suche nach Nachfolgern ist sehr schwierig.“ 

Zusammen mit 33 weiteren westfälischen Kommunen zählt Neuenrade zu den sogenannten Fördergebieten der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Das heißt konkret, dass es dort zu wenige Ärzte gibt oder dass viele Ärzte in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Vor allem der ländliche Raum ist betroffen. „Die ärztliche Versorgung ist für die Gemeinde als Standortfaktor sehr wichtig. Daher werben wir bei Praxisbörsen und in Universitäten um Mediziner und unterstützen sie zum Beispiel bei der Jobsuche des Partners oder auch bei der Kitaplatzsuche“, so Wiesemann.

Suche nach Nachwuchsmedizinern

Erfolgreich war der Bürgermeister mit diesem Engagement bislang jedoch nicht; schließlich konkurrieren mittlerweile viele Städte und Gemeinden um Nachwuchsmediziner. Die Gemeinde Neuenrade nutzte aber eine Gesetzesänderung, die es Kommunen nun ermöglicht, selbst Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums zu werden. Mit dem langjährigen Hausarzt Michael Beringhoff fand Wiesemann einen Partner für den Aufbau der Praxis; das NRW-Gesundheitsministerium und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe unterstützten die Pläne unter anderem finanziell. „Vor allem die gute und frühe Zusammenarbeit mit der Kommune und dem Bürgermeister“ sei für den Gelingen der Pläne „von großer Bedeutung“ gewesen“, so die KVWL.

Seit dem 1. Januar ist die „Landarztpraxis Michael Beringhoff“ ein Medizinisches Versorgungszentrum und eine 100 prozentige Tochter der Stadt Neuenrade. Beringhoff, mit 65 Jahren selbst schon an der Grenze zum Rentenalter, kümmert sich als medizinischer Leiter neben der Versorgung der Patienten auch um Verwaltungsangelegenheiten. Seine neue Kollegin, Renate Bojarzin-Kraus, zog aus dem Ruhrgebiet ins Sauerland. An ihrem neuen Arbeitsplatz im Sauerland kann sie sich als angestellte Ärztin ausschließlich auf ihre medizinische Tätigkeit konzentrieren.

„Wir sehen diese Praxis als Keimzelle“, erklärt Beringhoff. Das Ziel unseres Modells ist es, in Zukunft besonders junge Medizinerinnen anzusprechen, die sich eine selbstständige Tätigkeit als Hausärztin nicht vorstellen können oder in Teilzeit arbeiten wollen.“ 

Die Gemeinde im Märkischen Kreis könnte mit dem Medizinischen Versorgungszentrum zum Vorbild für andere Kommunen werden, ist der Arzt überzeugt, denn: Mehrere Gemeinden interessieren sich bereits für das Neuenrader Modell.

wsp

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