„Arbeit bedeutet Normalität“
Die fünfte LWL-Messe der Inklusionsunternehmen hat in Dortmund rund 120 Betriebe aus Westfalen, zahlreiche Fachleute sowie Menschen auf Jobsuche zusammengebracht. Mit dabei war auch Europas erste Inklusionsbrauerei.
Die Josef-Brauerei schenkte in den Westfalenhallen nicht nur Bier und Limonade aus den Flaschen mit dem kultigen Bügelverschluss aus, sondern stellte ihre Arbeit als Inklusionsbetrieb vor. Sieben der 13 Beschäftigten dort haben eine Schwerbehinderung. Die Angestellten arbeiten in der Produktion und in der Lagerhaltung, reinigen und inspizieren zum Beispiel die Flaschen. Die Arbeit in einem Unternehmen am ersten Arbeitsmarkt bedeutet für sie einen großen Schritt in die Selbstständigkeit. Der Tariflohn ermöglicht vielen auch das Leben in einer eigenen Wohnung, so zum Beispiel dem Produktionshelfer Dirk Witt. Er hat eine Lernbehinderung und ist stolz auf seine Leistung im Betrieb: „Ich wollte unabhängig sein, das habe ich geschafft.“
Im Wettbewerb mit anderen Unternehmen
Inklusionsunternehmen sind grundsätzlich ganz normale Wirtschaftsbetriebe und befinden sich im Wettbewerb mit anderen Firmen. So stehe in der Josefs-Brauerei die Qualität des Produktes im Mittelpunkt, macht die Inklusionsbeauftragte des Betriebs, Victoria Schulte-Broer, am Messestand deutlich: „Für manche Mitarbeiter ist das zunächst eine Veränderung gegenüber der Arbeit in einer Werkstatt. Wir müssen produzieren und verkaufen, damit das Unternehmen läuft.“
2020 war der Fortbestand des in Olsberg gegründeten Unternehmens allerdings in Gefahr. Der frühere Eigentümer, das Josefsheim, stieg aus; die Schließung von „Europas erster Inklusionsbrauerei“ stand kurz bevor. Das Glück in der Krise war, dass Ralf Eckel, einer von heute sechs Gesellschaftern und selbst Vater eines behinderten Sohnes, durch Zufall von der Josefs-Brauerei hörte. Kurz zuvor hatte er ein Gelände in Bad Lippspringe erworben und entschied kurzerhand, dieses zu nutzen, um eine neue Produktionsstätte für die Brauerei aufzubauen. Um trotz der Verlagerung weiter „an Bord“ des Unternehmens bleiben zu können, zogen Angestellte wie Dirk Witt sogar vom Sauerland nach Ostwestfalen um. Heute wird das „Josefs Bräu“ in der Flasche „mit dem Plopp“ im Einzelhandel im Umkreis von 70 Kilometern rund um Bad Lippspringe angeboten.
Die Josefs-Brauerei war nur eines von zahlreichen Inklusionsunternehmen, die bei der Messe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vertreten waren. Gärtnereien und Wäschereien, Hotels oder auch ein Floristik-Betrieb präsentierten ihre Arbeit und ihr Engagement. Bei einer Jobbörse vernetzten sich Unternehmen und Bewerber. Der Erfolg der Inklusionsbetriebe könne sich sehen lassen, machte LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann in Dortmund deutlich: „Im Jahr 2008 gab es in Westfalen-Lippe 57 Inklusionsbetriebe, heute sind es 169. Die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen hat sich im gleichen Zeitraum fast vervierfacht, sie ist von 594 auf über 2200 angestiegen. Im bundesweiten Vergleich liegen wir damit an der Spitze.“ Lunemann betonte auch die soziale und gesellschaftliche Bedeutung: „Für jeden einzelnen von diesen Menschen bedeutet das viel mehr als bloße Tagesstruktur. Die Arbeit dient dem Lebensunterhalt, sie ermöglicht soziale Kontakte und sie gibt Sinn. Und vor allem: Arbeit bedeutet Normalität.“
Die nächste LWL-Messe der Inklusionsunternehmen soll voraussichtlich 2026 stattfinden.
Annette Kiehl, wsp