Auch Schrott erzählt Geschichten
In der neuen Sonderausstellung „Modern Times. Archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten“ zeigt das LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne Fundstücke aus jüngerer Vergangenheit.
Ein Dosendeckel vom Gelände des legendären ersten Woodstock-Festivals, eine volle Champagnerflasche, die mitsamt eines Schiffes in den 1840er Jahren in der Ostsee versunken ist, oder Schlacken aus der Tragschicht eines Tennisplatzes am Tecklenburger Schloss, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde – manche Exponate wirken auf den ersten Blick wie Schrott oder Müll. Die Ausstellung zeige, dass auch solche Stücke eine Geschichte erzählen können, sagt Dr. Georg Lunemann, Direktor des LWL, bei der Vorstellung: „Die aktuelle Ausstellung ist ein Novum und zeigt auf erstaunliche Weise, was die Archäologie zur Erforschung der vergangenen 200 Jahre beitragen kann.“
Mensch-Ding-Beziehung im Fokus
Mit der Schau wolle man zudem mehr sein als ein „Bildgeber für Bekanntes. Uns geht es darum, genau hinzusehen: Wozu befähigt sich der Mensch mit den Dingen, die er erschafft. Dementsprechend steht die Mensch-Ding-Beziehung im Zentrum der Ausstellung“, so Doreen Mölders, Leiterin des Museums.
Fast die Hälfte der ausgestellten 100 Funde stammt aus Westfalen. Ein Indiz dafür, dass die Erforschung der jüngeren Vergangenheit auch für die LWL-Archäologie in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist. Inzwischen widmeten sich rund fünf bis zehn Prozent aller LWL-Ausgrabungen pro Jahr der Archäologie der Moderne, erklärt Prof. Dr. Michael Rind, LWL-Chefarchäologie. Von großem Interesse seien dabei etwa die Ausgrabungen in der frühen Eisenindustrie-Anlage Steinhauser Hütte in Witten gewesen oder die Untersuchungen an Orten des nationalsozialistischen Terrors wie an den Erschießungsplätzen bei Warstein und im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock. Auch von dort sind einige Ausstellungsstücke in Herne zu sehen.
Ressourcen sollen geschont werden
Die Objekte sind in sechs Kategorien – Innovation, Gefühl, Zerstörung, Besonderes, Zweck und Erinnerung – ausgestellt. Hinzu kommen Kabinette, die etwa über die Arbeit und die Herausforderungen der Archäologen aufklären. Außerdem erzählt eine Collage an der Wand des Ausstellungsraums die Ereignisgeschichte seit 1800.
Bei der Gestaltung der Ausstellung sollten Ressourcen gespart werden. Daher wurde etwa auf den Ausdruck und das Anbringen von Schrifttafeln verzichtet, Teile der Vitrinen sollen wiederverwertet werden, der Katalog wurde erstmals auf recyceltem Papier gedruckt und selbst die Tablets, mit denen Besucher sich eingehender über die einzelnen Ausstellungsstücke informieren können, sind nicht gekauft, sondern nur geliehen. Außerdem wird der „ökologische Fußabdruck“ der Ausstellung vermessen. „Denn nur, wenn wir wissen, in welchem Bereich wir welche Emissionen verursachen, können wir diese auch reduzieren“, so Mölders. Eine Auswertung soll zeigen, wie viel CO2 eingespart werden kann. So soll die Schau auch anderen Sonderausstellungen des LWL zukünftig Ideen liefern, wie Ressourcen gespart werden können. Die Umsetzung der ressourcenschonenden Ausstellungsgestaltung wird dabei gefördert durch das Programm Zero – Klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte der Kulturstiftung des Bundes.
Jürgen Bröker, wsp
Die Sonderausstellung „Modern Times. Archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten“ im LWL-Museum für Archäologie und Kultur startet am Freitag und ist anschließend bis zum 18. August 2024 zu sehen. Flankiert wird sie von vier Studioausstellungen über bedeutende Fundplätze der Moderne in Westfalen: Das Offizierslager Adam-Kaserne in Soest (vom 20.10. bis 10.12.2023), die Erschießungsplätze der Endphase des Zweiten Weltkriegs zwischen Warstein und Meschede (12.1. bis 3.3.2024), das Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock (5.4. bis 26.5.2024) und die Steinhauser Hütte in Witten (21.6 bis 11.8.2024).