Auf dem Gelände der Barker Barracks in Paderborn soll ein "Zukunftsquartier" entstehen – mit Rückenwind durch die Regionale OWL. Foto: Gerd Vieler
05.08.2022

„Balance von Stadt und Land“

Die „UrbanLand“-Regionale in OstwestfalenLippe will am Beispiel von mehr als 60 Projekten in der Region Lösungen für zukünftiges Wohnen sowie für Mobilität, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur aufzeigen. Im Interview spricht Regionale-Leiterin Annette Nothnagel darüber, wie innovative Wohnangebote auch Unternehmen helfen können.

Frau Nothnagel, im April ist das Präsentationsjahr der Regionale gestartet. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Der „UrbanLand“-Sommer ist ein Höhepunkt der Regionale in OstwestfalenLippe. Wir präsentieren unsere Projekte bei Festen, Tagen der offenen Tür und weiteren Veranstaltungen. Experimentierstationen laden dabei ein, sich mit den Themen der Regionale zu beschäftigen, zum Beispiel Wohnen und Gesundheitsversorgung, Bildung und Mobilität. Für die Akteure, die sich unmittelbar mit den Projekten beschäftigen, steht jedoch der gesamte Entwicklungsprozess im Mittelpunkt, der bereits 2017 begonnen hat. Die Regionale hat die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Institutionen angeschoben und gestärkt. Hier ist bereits in den vergangenen Jahren viel passiert und nun finden im Sommer zahlreiche Veranstaltungen für das Fachpublikum statt, um weitere Impulse zu geben.

Was konnten Sie bislang erreichen?
61 Projekte haben sich im Rahmen der Regionale qualifiziert. Die Bandbreite reicht vom MonoCab, einem Einschienenfahrzeug, das auf stillgelegten Eisenbahnstrecken fahren kann, bis hin zur digitalen Kulturplattform „OWL live“, die das Kulturangebot in der Region präsentiert und Kulturschaffende unterstützt. Solche Projekte bilden die Themen, die OstwestfalenLippe beschäftigen, sehr gut ab.

Die Dipl.-Ingenieurin Annette Nothnagel leitet seit 2018 das Strukturförderprogramm Regionale OWL mit Sitz in Bielefeld. Zuvor hat sie bereits bei der Internationalen Bauausstellung EmscherPark und bei der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Solingen Erfahrungen in der Regionalentwicklung gesammelt. Foto: OWL GmbH, Stefan Sättele

Die Dipl.-Ingenieurin Annette Nothnagel leitet seit 2018 das Strukturförderprogramm Regionale OWL mit Sitz in Bielefeld. Foto: OWL GmbH, Stefan Sättele

Ein Schwerpunkt der „UrbanLand“-Regionale ist das Thema Wohnen. Warum?
Großstädte und ländliche Räume stehen bei der Frage nach Wohnraum vor unterschiedlichen Herausforderungen. Während der Mangel an Wohnraum längst nicht mehr nur in Metropolen, sondern auch in kleineren Großstädten ein großes Problem ist, geht es im ländlichen Raum oft um Fragen nach Leerständen oder alternativen Wohnformen. Ich bin aber überzeugt, dass man hier im Austausch viel voneinander lernen kann.

Zum Beispiel?
Die Quartiere, die als Projekte der Regionale auf früheren Kasernengeländen in Paderborn, Bielefeld und Gütersloh entstehen, sind Labore und Modelle für zukunftsfähiges und nachhaltiges Bauen und Wohnen. Diese und weitere Städte sind im sogenannten Quartiersforum in einem engen fachlichen Austausch zu gemeinsamen Herausforderungen. 

Was macht diese Quartiere zukunftsfähig?
In diesen Quartieren verbinden sich wichtige Lösungsansätze. Flexible Wohnformen, die sich den Bedürfnissen unterschiedlicher Lebensphasen anpassen, sind dabei nur ein Thema. Entscheidend ist auch das Zusammenspiel von Wohnen mit den Themen Energieversorgung und Mobilität. Konkret geht es um die Frage, wie gut diese Quartiere zu Fuß und per Fahrrad sowie mit dem ÖPNV erreichbar sind. Oder auch, ob es Einkaufsmöglichkeiten und eine Gesundheitsversorgung in der Nähe gibt.

Bei Festen und Veranstaltungen in OWL präsentiert die "UrbanLand"-Welt die Regionale-Projekte und lädt zum Experimentieren ein. Foto: Stefan Sättele / OWL GmbH

Bei Festen und Veranstaltungen in OWL präsentiert die „UrbanLand“-Welt die Regionale-Projekte und lädt zum Experimentieren ein. Foto: Stefan Sättele / OWL GmbH

Und wie sieht es mit dem zukunftsfähigen Wohnen auf dem Land aus?
In kleineren Orten besteht die Herausforderung oft eher darin, neben dem klassischen Einfamilienhaus alternative Wohnmöglichkeiten zu entwickeln. Dort geht es unter anderem um die Frage, wie man flächensparend bauen kann, den zukünftigen Bewohnern aber trotzdem das Gefühl von Freiraum und Privatsphäre ermöglicht, das viele mit dem Leben auf dem Land verbinden. Ob für ältere Menschen, die im Dorf bleiben möchten, sich aber kleiner setzen wollen, oder auch für junge Leute, die urbane Wohnformen schätzen. Hier denke ich zum Beispiel an das Welcomehaus in Espelkamp, das im Rahmen der Regionale und in Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen entwickelt wurde.

Worum geht es dabei?
Hintergrund ist die Erfahrung, dass Unternehmen im ländlichen Raum trotz sehr guter Jobangebote oft Schwierigkeiten haben, junge Fachkräfte zu gewinnen. Ein Grund dafür ist, dass dort häufig geeignete und zeitgemäße Wohnungen fehlen. Das Welcomehaus umfasst 15 Wohnungen sowie Gemeinschaftsräume, eine Dachterrasse und auch Serviceangebote. Ziel dieses Angebotes ist es, den Nachwuchskräften das Ankommen am Ort und im Unternehmen zu erleichtern. Ich bin mir sicher, dass dies auch ein Modell für andere Regionen ist, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Was können die vom „UrbanLand“ lernen?
Im Mittelpunkt des „UrbanLandes“ OstwestfalenLippe steht die Vision einer vernetzten Region. Wie das Thema Bauen und Wohnen zeigt, haben Großstädte und ländlich geprägten Räumen unterschiedliche Qualitäten, können aber im Zusammenspiel voneinander profitieren. Das Ziel ist es, in diesem Prozess eine Balance von Stadt und Land zu entwickeln. OstwestfalenLippe ist mit seinem Leitbild der polyzentrischen vernetzten Region dabei sicherlich ein gutes Modell.

Interview: Annette Kiehl, wsp

Lesen Sie mehr zum Thema „Zukunftsquartiere“ im WESTFALENSPIEGEL 04/2022 und hier.

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