
Beckum sagt Fußballspiele ab
Im Fußballkreis Beckum werden an diesem Wochenende sämtliche Spiele der Herren-Kreisligen A, B & C abgesetzt. Der Grund: Die Gewalt auf den Fußballplätzen hat immer mehr zugenommen hat.
Zuletzt war in Beckum ein Kreispokalspiel wegen einer Massenschlägerei abgebrochen worden. Am Sonntag wurde nun ein Schiedsrichter derart bedroht und beleidigt, dass er sich nach dem Spiel in der Schiedsrichterkabine einschließen musste. „Erst nach dem Eintreffen der Polizei konnte der Schiedsrichter die Kabine wieder verlassen“, so der zuständige Fußballkreis Beckum. Mit der Absage des Spieltags soll ein Zeichen für die Schiedsrichter und gegen Gewalt gesetzt werden.
Der Bielefelder Konfliktforscher Prof. Dr. Andreas Zick glaubt, dass solche Maßnahmen Wirkung zeigen. Auch wenn es Menschen geben werde, die sie nicht verstehen, die aggressiv darauf reagieren, weil sie das als Freiheitseinschränkung erleben. „Daher ist es zentral, sie zu flankieren mit eindeutigen Botschaften. Zweitens müssen die Maßnahmen wiederholt werden, wenn nötig. Einmalige aufsehenerregende Aktionen helfen nicht. Drittens sollten sie mit weiteren Aktionen, die alle am Platz erreichen, verbunden werden. Dazu gehören Ansagen, Flyer, Vorab-Gespräche und Spielabbrüche“, sagt Zick. Nur so könne die Gewalt ins Hellfeld gebracht und aufgearbeitet werden.
Im Fußballkreis Beckum ist die Gewalt auf dem Fußballplatz nichts Neues. Schon in der vorangegangenen Spielzeit hat es immer wieder Ausschreitungen, Beleidigungen und Gewalt gegeben. Daher hatte es dort bereits im vergangenen Jahr ein „Fairplay-Treffen“ gegeben. Gemeinsam mit den Vereinen waren Ideen entwickelt worden „in der Hoffnung, dass das Fairplay bei den Spielen wieder in den Vordergrund gerückt wird“. Doch das Gegenteil sei zu Beginn dieser Saison eingetreten, erklären die Verantwortlichen im Fußballkreis.
Gewaltpräventionspaket wie im Profifußball
Um Schiedsrichter besser zu schützen, fordert Zick ein Gewaltpräventionspaket wie im Profifußball. Vor allem wenn die Unparteiischen immer stärker zum Ziel der Gewalt und zum Sündenbock für alles gemacht werden. Außerdem müssten alle Formen von Gewalt genau festgehalten und dokumentiert werden. „Solche Analysen helfen dabei, die Gewalt nicht einfach wegzublenden. Die Schiedsgerichte im Amateurbereich können einbezogen und weitergebildet werden. Es braucht Konfliktlotsen auch auf dem Platz. Da könnten Projekte aus der Schule eingebunden werden. Wir raten auch die Räume genau zu erkunden. Manchmal kommt die Gewalt aus den Zuschauerreihen und da schreitet niemand ein, sondern schützt die Angreifer. Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter berichten vielfach, dass ihnen niemand hilft“, sagt Zick.
Der Sozialpsychologe würde sich zudem eine unabhängige wissenschaftliche Analyse wünschen, die besser Auskunft darüber gibt, wann, wo und welche Gewalt steigt, sinkt oder stabil bleibt. Eine solche Analyse gibt es bisher nicht. Allerdings sagt Zick auch: „Folgen wir den Berichten, dann spricht Vieles für einen Anstieg und eine Zunahme der Gewaltintensität.“ Bei einem Pfingstturnier in Frankfurt starb in diesem Jahr ein Jugendlicher, nachdem er von einem anderen Spieler attackiert wurde. Zudem klagen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern immer stärker über zunehmende Pöbeleien und Gewalt. Für Zick kommt die Entwicklung nicht ganz überraschend: „Auch außerhalb der Sportplätze ist in den letzten Jahren die Anzahl der vorurteilsbasierten Hasstaten angestiegen. Solche gesellschaftlichen Trends erreichen den Sportplatz. Da sind sich die meisten, mit denen wir über Gewalt reden, einig.“
jüb, wsp