Die Welt feiert in diesen Tagen den 250 Geburtstag von Ludwig van Beethoven. Collage: wsp
15.12.2020

Beethoven – Der Weltkünstler

Ta-Ta-TaTaaa – Beethoven war selbstbewusst, als freischaffender Künstler geschäftlich ein Schlitzohr, der sich gegenüber dem Adel einiges herausnahm. Schon zu Lebzeiten in Europa gefeiert, ist er heute der meistgespielte klassische Komponist weltweit. Vor 250 Jahren wurde er in Bonn geboren. Die ganze Welt feiert den berühmtesten Bürger Nordrhein-Westfalens.

„Erhabenster!“, schreibt der 12-jährige Ludwig van Beethoven selbstbewusst an den Kurfürsten. Er will dem Adligen, der lieber im schönen barocken Bonn als im mittelalterlich engen Köln residierte, drei Kompositionen widmen. Kurze Zeit später hat der hochbegabte junge Musikus seine erste bezahlte Stelle: im Mai 1784 wird er zweiter Organist am Hof. Da ist er gerade mal 13 Jahre alt.

Ludwig van Beethoven wird im Dezember 1770 in Bonn in eine Musikerfamilie geboren. Sein Geburtshaus mitten in der Stadt ist heute Museum und Forschungsstätte. Sehr früh präsentierte Ludwigs Vater Johann, Tenorsänger an der Bonner Hofkapelle, den überaus begabten Sohn der Welt als Wunderkind. Dass Ludwig eine Musikerkarriere machen sollte, wenn möglich so erfolgreich wie der Großpapa Louis aus dem belgischen Mechelen, der es in Bonn bis zum Hofkapellmeister gebracht hatte, war ausgemacht.

Blatt mit Noten von Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Blatt mit Noten von Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Mit sieben Jahren gibt der kleine Ludwig sein erstes Konzert. Bald darauf genießt er den Ruf eines hochbegabten Pianisten, dessen Improvisationstalent das Publikum begeistert. Auch als Komponist war Beethoven schon in jungen Jahren überaus erfolgreich. Seine rund 50 Jugendwerke umfassen Klavierstücke, Kammermusik, Lieder, Konzerte sowie Kompositionen für Singstimmen und Orchester. „Er würde gewiß ein zweyter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er fortschritte, wie er angefangen“, bekundete Christian Gottlob Neefe, Lehrer und Förderer des jungen Genies.

Doch im Gegensatz zu Mozart wird Ludwig von seinem Vater der Welt nicht als „Wunderkind“ herumgereicht, sondern erlernt das Handwerk des Berufsmusikers. Sein Leben ist eine Geschichte voller Erfolge, aber auch voller Leiden, Abgründe, Abstürze, Verlust und Verzweiflung. Schon Beethovens Jugend war alles andere als unbeschwert. Als seine Mutter im Sommer 1784 an Tuberkulose stirbt, verliert der alkoholkranke Vater zunehmend die Kontrolle. 1789 wird Johann van Beethoven aus der Hofkapelle entlassen, da hatte sich Ludwig gerade in der kurz zuvor gegründeten Universität Bonn immatrikuliert. Jetzt muss er die Verantwortung für den Vater und seine zwei Brüder übernehmen.

Revolutionär und Querdenker

Beethoven lebte in einer Zeit der politischen Umbrüche, der Revolutionen und Kriege, der beginnenden Restauration. Der in Bonn unter einem politisch erstaunlich modern denkenden Kurfürsten aufgewachsene Ludwig war Zeit seines Lebens radikal, ein Quer- und Vorausdenker, Mit seiner Schulbildung aber war es nicht weit her. Wozu auch, er sollte ja Musiker werden, kein Gelehrter. Seine spätere Haushaltsführung war ebenso penibel wie fehlerhaft, die Additionen nur selten korrekt, wie handschriftliche Aufstellungen seiner Ausgaben im Archiv des Beethoven-Hauses zeigen. „Meine Haushaltung sieht einem Schiffbruche beynahe ganz ähnlich, oder neigt dazu“, bekennt er 1816. Ähnlich verhält es sich mit seiner Rechtschreibung, an Übung mangelte es ihm nicht. Tausende Briefe hat Beethoven hinterlassen – und nicht nur Thomas Mann wunderte sich später über „diese verzweifelte Orthografie, diese ganze halbwilde Unartikuliertheit“.

Auch bei Graffiti-Künstlern ein beliebtes Motiv: Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Auch bei Graffiti-Künstlern ein beliebtes Motiv: Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Sein Selbstbewusstsein zog Beethoven aus der Musik. Er spielte die Orgel in diversen Kirchen, das Klavier vor applaudierenden Gesellschaften, half mit der Bratsche und an der Orgel der Kurfürstlichen Kapelle aus. Und er hatte neben seinem Musiklehrer Christian Gottlob Neefe, Anhänger der Aufklärung, einen weiteren wichtigen Förderer: Maximilian Franz, jüngster Bruder von Kaiser Joseph II. in Wien, leidenschaftlicher Musikliebhaber und seit 1784 Kurfürst und Erzbischof von Köln sowie Fürstbischof von Münster, der stark von den Ideen der Aufklärung geprägt und äußerst reformfreudig war.

Gefeierter Star in Wien

1787 reist Beethoven mit einem Stipendium des adligen Landesherrn für zwei Monate nach Wien, um sich bei Mozart weiterzubilden. Doch das Musikgenie war verhindert, die beiden sind sich nie begegnet. Als Beethoven fünf Jahre später auf Einladung von Joseph Haydn noch einmal in die Stadt an der Donau fährt, ist sein großes Vorbild bereits tot. Auch diesen Studienaufenthalt finanzierte der Kurfürst, natürlich in der berechtigten Erwartung, selbst davon profitieren zu können. Dass Beethoven nicht mehr nach Bonn zur kurfürstlichen Kapelle zurückkehren würde, konnte niemand ahnen.

Doch die politischen Verhältnisse hatten sich zwischenzeitlich verändert. Die Französische Revolution spaltete Europa, 1794 besetzten die Franzosen Bonn. Der Kurfürst musste fliehen, die Hofkapelle wurde aufgelöst. In Wien feierte Beethoven schon bald seine größten Erfolge, doch er fremdelte mit der Wiener Adelswelt. Deren Manieren und Repräsentieren waren ihm ein Gräuel. So wurde im Haus des Fürsten Karl Lichnowsky, wo er seine erste Wohnung fand, früh gespeist: „Nun soll ich täglich um halb 4 zu Hause sein, mich etwas besser anziehen, für den Bart sorgen u.s.w. – Das halt’ ich nicht aus!“

Beethoven-Denkmal in Bonn. Foto: M.E./pixelio.de

Beethoven-Denkmal in Bonn. Foto: M.E./pixelio.de

Beethoven hatte Wichtigeres im Kopf, als sich über Mode und Etikette Gedanken zu machen. Zeitlebens von der Gunst adliger Gönner abhängig, war er zutiefst von der Gleichheit aller Menschen überzeugt. Zu seinem langjährigen Mäzen Lichnowsky soll er gesagt haben: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich: Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben; Beethoven gibt’s nur einen.“

Auch mit seiner Musik scherte sich Beethoven nicht um Konventionen. Seine Musik sollte kein adliges Divertissement, keine gefällige Begleitmusik mehr sein. Der begnadete Klaviervirtuose und Komponist konnte sich das durchaus herausnehmen, denn er war als Geschäftsmann wohl mit allen Wassern gewaschen. Ein gewiefter Taktierer, der Verlage gegeneinander ausspielte und Vorschüsse für Stücke kassierte, die er noch gar nicht begonnen hatte. „Ich fordere und man zahlt“, bekundet Beethoven seinem Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler.

Beethoven galt als Sonderling. Die wichtigste höfische Tugend, die absolute Selbstbeherrschung, war ihm fremd. „Jede Stimmung seiner Seele drückte sich augenblicklich in seinen Zügen gewaltsam aus“, schrieb der Maler August von Klöber 1818. Beethoven wird allgemein als schwierig und extrem launisch beschrieben, aber er war wohl auch witzig und humorvoll. „Der Mensch Beethoven hatte Emotionen und Bedürfnisse, Fehler und Charakterschwächen, aber auch durchaus liebenswürdige Züge“, meinen die beiden Ausstellungsmacherinnen Julia Ronge und Agnieszka Lulinska, die gemeinsam die große Beethoven-Schau in der Bundeskunsthalle in Bonn kuratiert haben.

Das Beethovenhaus in Bonn ist heute ein Museum. Foto: RJ-Foto/pixelio.de

Das Beethovenhaus in Bonn ist heute ein Museum. Foto: RJ-Foto/pixelio.de

„Beethoven legte Wert auf einen geregelten Tagesablauf, in dem in einem ausgewogenen Verhältnis Zeiten für Arbeiten, Essen, Entspannung und Schlafen vorgesehen waren“, macht Julia Ronge deutlich. Zwischen 5 und 6 Uhr sei das revolutionäre Musikgenie aufgestanden, habe den Vormittag meist arbeitend zu Hause verbracht, um nach dem Mittagessen ins Kaffeehaus zu gehen: „Beethoven liebte Kaffee, der für ihn aus genau 60 Bohnen die Tasse aufgebrüht werden musste.“ Ausgedehnte Spaziergänge am Nachmittag dienten der Erholung, aber auch der Konzentration. Sein Notenpapier hätte er stets bei sich getragen, um plötzliche Geistesblitze und Ideen jederzeit festhalten zu können. Abends habe Beethoven regelmäßig Konzerte, Theater- und Opernaufführungen besucht; gegen 22 Uhr ging er zu Bett.

So sehr der große Meister auf einen geregelten Tagesablauf achtete, beim Thema Wohnen erwies er sich als rastlos. Etwa alle sechs Monate hat er die Wohnung gewechselt. Mal war es ihm zu kalt, zu dunkel, zu abgelegen, mal war er den Vermietern zu chaotisch, zu schmuddelig, zu laut. Wahrscheinlich mehr als 70 mal ist Ludwig van Beethoven in seinem Leben umgezogen.

Musik für eine neue Zeit

Erste Anzeichen einer Hörschädigung machen sich bemerkbar, noch ehe er 30 Jahre alt ist. In seinem Heiligenstädter Testament von 1802 berichtet Ludwig seinen Brüdern verzweifelt davon. Anfangs versucht er noch, das Leiden geheim zu halten und mit Ohrentropfen aus Mandelöl oder aus Milch, die in grünen Nussschalen aufgekocht wurden, mit Wasserkuren, mit Quecksilberbehandlungen und verschiedenen Hörrohren von Johann Nepomuk Mälzel dagegen anzukämpfen. Vergeblich. Im Alter von 48 Jahren verliert Beethoven sein Gehör.

Beethoven litt unter seiner Ertaubung, die ihn zunehmend vom gesellschaftlichen Leben abschnitt. Seine Gesprächspartner mussten jetzt alles, was sie zu sagen hatten, in ein Heft schreiben. Beethoven selbst antwortete ihnen mündlich. Diese sogenannten „Konversationshefte“ sind heute noch erhalten, einige liegen im Bonner Beethovenhaus aus.

Ode an die Freude: 700 Beethoven-Skulpturen des Künstlers Ottmar Hörl stehen auf dem Bonner Münsterplatz (2019). Foto: pixabay

Ode an die Freude: 700 Beethoven-Skulpturen des Künstlers Ottmar Hörl stehen auf dem Bonner Münsterplatz (2019). Foto: pixabay

Gleichzeitig erfreut sich Beethoven einer ungebremsten schöpferischen Kraft. Neben wichtigen kammermusikalischen Werken entstehen die berühmte 9. Sinfonie und die monumentale „Missa solemnis“ – nach eigenem Bekunden sein bestes Werk. Doch im Gegensatz zu früher verlangsamt sich sein Arbeitstempo. Er braucht Jahre, um seine Kompositionen fertigzustellen. Gleichzeitig wachsen seine Werke in Komplexität, Besetzung und Aufführungslänge. Beethoven ist mittlerweile international berühmt und gilt als das bedeutendste europäische Musikgenie. Andererseits ist er ständig krank. Ihn quälen unter anderem lang anhaltendes Kopfweh, Lungenentzündung, rheumatisches Fieber, Gelbsucht, Augenprobleme mit Schmerzen und Sehstörungen, Unterleibs- und Magenprobleme. „Ich bin…beynahe immer krank“, bemerkt Beethoven im Februar 1813. Die Berichte über seine äußerliche Verwahrlosung mehren sich, er trinkt zu viel – bis zu drei Flaschen Wein täglich, so ist überliefert. Mit 56 Jahren stirbt Ludwig van Beethoven am 26. März 1827 – vermutlich an Leberzirrhose. Rund 20 000 Menschen sollen dem Trauerzug gefolgt sein.

„Woran denken wir bei Beethoven? An Elise, an das Schicksalsmotiv der Fünften und an Freude, schöner Götterfunken, den berühmtesten Hit der Welt“, schreibt der Musikwissenschaftler und Schriftsteller Karl-Heinz Ott in seinem Buch „Rausch und Stille. Beethovens Sinfonien“. Diese Sinfonien, so Ott, waren für Zeitgenossen vor allem eines: verstörend, anstrengend und außergewöhnlich kühn. Beethovens Musik fordere heraus, erzwinge alle Aufmerksamkeit, als Hintergrundmusik und bloße Berieselung tauge sie nicht. Mit seiner „Ode an die Freude“ aus der 9. Sinfonie, die heute als Zeichen der Völkerverbindung die Europahymne ist, ist die Musik Ludwig van Beethovens 250 Jahre nach seiner Geburt aktueller denn je.

Klaudia Sluka

Dieser Text erschien zuerst in Heft 2/2020 des WESTFALENSPIEGEL. Hier können Sie einen Blick ins Heft werfen.

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