Der Animationsfilm „Es war einmal in Westfalen“ läuft ab dem Spätsommer bei YouTube. Illustration: LWL-Medienzentrum/Niklas Schwartz
27.05.2025

Bewegte Bilder

Streifzüge durch die Geschichte: Vom „Friedensreiter“, dem ersten Spielfilm über Westfalen, zum Animationsfilm „Es war einmal in Westfalen“.

Im WESTFALENSPIEGEL stand 1998 ein ungewöhnlicher Aufruf: „Gesucht: Der Friedensreiter“. In dem Artikel ist damit ein „Monumental-Film“ von 1918 gemeint, der wohl  erste Spielfilm aus und über Westfalen. Recherchen nach dem Original brachten in den 1990er Jahren nur eine Zensurkarte aus Moskau ans Licht mit Angaben zu Inhalt, Länge und Besetzung. Der Film müsse „wohl als verloren gelten“, heißt es im Magazinbeitrag. 20 Jahre später entdeckte eine Mitarbeiterin des Stadtmuseums Münster eine VHS-Kopie des Stummfilms in der Filmuniversität Babelsberg, allerdings mit mäßiger Qualität. Doch dann, in diesem März, verkündete der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Sensation: Eine gute digitale Kopie des Stummfilms gibt es in Norwegen. Der Leiter des LWL-Medienzentrums Prof. Dr. Markus Köster hatte nach Hinweisen vom Stadtmuseum Münster und Filmmuseum Potsdam in der Nationalbibliothek Oslo angefragt, ob der Film dort vorhanden sei – und eine positive Antwort erhalten. „Glück gehabt“, sagt Köster. Wie der Film nach Norwegen gekommen ist? Völlig unklar.

Szenenbild von den Dreharbeiten zu „Der Friedensreiter“ an der Burg Gemen im westlichen Münsterland. Foto: Stadtarchiv Münster

Szenenbild von den Dreharbeiten zu „Der Friedensreiter“ an der Burg Gemen im westlichen Münsterland. Foto: Stadtarchiv Münster

Die Kopie aus Norwegen bietet deutschsprachige Texttafeln, eine längere Laufzeit und eine deutlich bessere Bildqualität. „Vor allem aber ist die norwegische Fassung im Stil damaliger Kinofilme in wechselnden Farbtönen eingefärbt, je nachdem welche Stimmung in der jeweiligen Szene erzeugt werden sollte“, freut sich Köster. Im Frühjahr lief der einstündige Film im ausverkauften Historischen Rathaus in Münster. Der Aufführungsort passte, denn im „Friedensreiter“ geht es um die Verhandlungen über ein Ende des 30-jährigen Kriegs in den Rathäusern von Münster und Osnabrück. Im Film versucht eine französische Agentin mit allen Mitteln, den Friedensschluss zu verhindern. Die Sagengestalt des Friedensreiters greift jedoch ein und bringt den Frieden näher. Der Historienfilm mit Hauptdarsteller Werner Krauß entstand 1918 kurz vor und nach Ende des Ersten Weltkriegs, was die antifranzösischen Töne des Films erklärt. Die Dreharbeiten fanden auf Burg Hülshoff, Burg Gemen und in Münster statt. Eigentlich sollte in Münster auch auf dem Prinzipalmarkt und im Friedenssaal gedreht werden, doch wegen der Novemberunruhen erfolgte die Fertigstellung im Studio in Berlin, erzählt Köster. Die Uraufführung des „Friedensreiter“ erfolgte im Mai 1919 in Münster. Die Kritik war vernichtend und bemängelte fehlende historische Authentizität. Ein Vorwurf, den auch Münsters damaliger Stadtarchivar erhob. Dabei hatte er den Film selbst mit angeregt, aber auf einen „Lehrfilm“ gehofft. Der Film flog nach relativ kurzer Spielzeit aus dem Kinoprogramm.

Antiquarin unternimmt Streifzug durch die Geschichte

Wenn urheberrechtliche Fragen geklärt sind, würde Markus Köster den Film gerne im YouTube-Portal des LWL-Medienzentrums „Westfalen im Film“ zeigen. Genau dort wird ab dem 18. September auch der neueste Film über Westfalen zu sehen sein, den das LWL-Medienzentrum derzeit produziert: „Es war einmal in Westfalen“, ein Animationsfilm, der zum 1250-jährigen Jubiläum der Ersterwähnung der „Westfalen“ einen 15-minütigen Streifzug durch die Geschichte unternimmt. Gemeinsam mit der Erzählerin, einer jungen Antiquarin, geht es auf eine temporeiche Reise zu vier historischen Momenten, die Westfalen geprägt haben: ins Mittelalter Karls des Großen und des Sachsenführers Widukind, in die Frühe Neuzeit mit dem 30-jährigen Krieg und Westfälischen Frieden, in die Gründungsphase der Provinz Westfalen 1815 und in die Nachkriegszeit nach 1945, als Nordrhein-Westfalen entstanden ist. Der Illustrator Niklas Schwartz, der für den LWL bereits für den Kurzfilm „Cappenberg 1122″ und die „Barbarossa“-Ausstellung gezeichnet hat, lässt die vier verschiedenen Epochen im Illustrationsstil der jeweiligen Zeit zum Leben erwachen. Inspiration fand er bei mittelalterlicher Buchmalerei, frühneuzeitlichen Kupferstichen, politischen Cartoons des 19. Jahrhunderts und bei Kriegszeichnungen und Fotografien aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.


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„Wir wollen für ein breites Publikum einen Zugang zur Geschichte der eigenen Region geben“, sagt Produktionsleiter Felix Dürich vom LWL-Medienzentrum. Dazu gehe die Erzählerin des Films der Frage nach, was sich eigentlich hinter dem Wort „Westfalen“ verbirgt: Ist es ein geografisch definierter Raum? Sind es bestimmte Menschen? Und wie wandelt sich die Bedeutung des Begriffs im Laufe der Zeit? Das Filmteam ist noch im Endspurt. Schwartz und Dürich können aber schon erste fertige Bilder präsentieren: Sie zeugen von der Stilvielfalt, der aufwendigen geschichtlichen und kunsthistorischen Recherche und einer Liebe für auch kleinere Details. „Eine Minute Film bedeutet eine Woche Arbeit für alle Beteiligten“, sagt Niklas Schwartz. Seine Zeichnungen werden mit Hilfe der Animationen von Sonja Schneider zu bewegten Bildern. Anschließend erhält der Film stimmungsvolle Sounds und die Filmmusik, die Bene Höyns komponiert. Als Erzählerin hat das Filmteam Milena Straube gewonnen, vielen bekannt aus der Serie „Haus Kummerveldt“. Im Spätsommer heißt es dann bei YouTube und in der „775“-Ausstellung in Paderborn, wo der Film ebenfalls laufen soll: „Es war einmal in Westfalen…“.

Martin Zehren, wsp

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