Biertradition in Westfalen: Vom konfessionellen Bier zum Lifestyle-Getränk
Dortmund (wh). Vom Dortmunder Export bis zu Pinkus` Bio-Bier aus Münster: Bier hat den westfälischen Städten und Regionen stets eine Identität gegeben und für wirtschaftlichen Erfolg gesorgt. Anfang des 20. Jahrhunderts machte die Brauwirtschaft mehr Umsatz als die Montanindustrie und 1970 war Dortmund Europas Biermetropole Nummer eins. Noch heute wird in 17 westfälischen Brauereien das traditionsreiche Getränk hergestellt.
Dr. Karl-Peter Ellerbrock, Direktor des Westfälischen Wirtschaftsarchivs, hat die Bierregion Westfalen erforscht und kürzlich das Buch "Zur Geschichte der westfälischen Brauwirtschaft" im Ardey-Verlag herausgegeben.
Es gibt unzählige lokale Biermarken in Westfalen. Wie kam es dazu?
Dr. Karl-Peter Ellerbrock: Die Brauwirtschaft war jahrhundertelange stark reglementiert. Mit Ausnahme von Adels- und Klosterbrauereien durfte auf dem Land nicht gebraut werden, das war ein städtisches Privileg. Jede Stadt hatte ein eigenes Braurecht. Das alles hat dazu beigetragen, dass das Biertrinken eine ganz tiefe regionale und kulturelle Bedeutung bekommen hat. Das war mitunter so extrem, dass man in Dortmund zum Beispiel auch konfessionell orientiert getrunken hat: Thier-Bier war das katholische Bier, Kronen-Bier das evangelische Bier. Diese Tradition wirkt bis heute fort. Immer noch hat jede Marke ihren speziellen Konsumentenkreis, obwohl meist nun große Konzerne dahinter stehen.
Was war das Erfolgsrezept der westfälischen Brauer?
Mit der Liberalisierung des Brauereiwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Wachstumsimpulse vom Land, das bis zu diesem Zeitpunkt von der gewerblichen Bierproduktion ausgeschlossen war. Es hat dann aufgeholt und ist an den städtischen Brauereien vorbeigezogen. Zudem haben sich in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet unglaubliche Absatzmöglichkeiten entwickelt. Technologische Entwicklungen kamen hinzu: Durch neue Kühlungsmöglichkeiten und auch den Eisenbahnanschluss wurden bessere Voraussetzungen geschaffen. Zudem war die Brauwirtschaft ein Pionier des Aktienwesens. So waren die meisten Industrieaktiengesellschaften vor dem Ersten Weltkrieg Brauereien. Noch heute ist das an Marken wie der Dortmunder Actien Brauerei, kurz DAB, erkennbar.
Bedeutet das Verschwinden der Montanindustrie im westfälischen Ruhrgebiet auch den Niedergang der traditionellen Brauereien?
Nein, die Faktoren für den Bedeutungsverlust, zum Beispiel der Dortmunder Brauwirtschaft, sind vielschichtiger. In der Hochzeit der Brauwirtschaft, in den 1950er und 60er Jahren, waren die Brauereidirektoren praktisch Feudalherren und hielten Hof. Man sah das Wachstum der Unternehmen als gottgegeben und hat es versäumt, den Markt systematisch zu untersuchen. Biertrinken hat viel mit Image, Lifestyle und Zielgruppen zu tun – und gerade in Dortmund hat man zu lange am traditionellen Exportbier festgehalten, das seit den 1960er Jahren mit dem Image des "Arbeiterbiers" zu kämpfen hatte. Den Trend zum feineren Pilsbier haben Landbrauereien wie Veltins, Warsteiner und Krombacher viel früher erkannt und den Dortmundern auf diesem Markt wesentliche Absatzanteile abgenommen.
In Zeiten von Gesundheitswelle und Schlankheitswahn: Wird auch in Zukunft noch Bier getrunken?
Der deutsche Biermarkt zählt international immer noch zu den Top fünf mit rund 100 Millionen Hektolitern pro Jahr. Es sind zwar keine großen Wachstumsimpulse mehr zu erwarten, aber es wird immer noch auf hohem Niveau getrunken. Jedoch anders und woanders: Weniger Fassbier in der Kneipe und mehr Flaschenbier zuhause – und das bedeutet geringere Margen. Es gibt jedoch zahlreiche kleine Brauereien, die sich durch höhere Preise sehr gut entwickelt haben. Zum Beispiel ist Pott`s in Oelde mit Bügelflasche und Nostalgiefaktor erfolgreich. Und auch die Pinkus-Brauerei in Münster ist sehr erfolgreich, indem sie als Hausbrauerei ihr Bier vor allem in der eigenen Gaststätte verkauft.
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