„Gebacken wird mit Wärme“
Michael Bartilla ist Geschäftsführer des Bäckerinnungs-Verbands Westfalen-Lippe im Interview spricht er über die Lage der insgesamt rund 600 Betriebe mit rund 35.000 Beschäftigten in der Region und mögliche Preissteigerungen bei Brot und Brötchen.
Herr Bartilla, wird Brot bald zum Luxusgut?
Nein. Das glaube ich nicht. Natürlich werden unsere Bäcker die Preise laufend anpassen müssen – je nachdem wie die Entwicklung vor allem bei den Energiekosten in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Aber wir sind immer noch weit davon entfernt, dass Brot und Brötchen Luxusgüter werden.
Was kostet denn derzeit ein Brötchen im Durchschnitt in Westfalen-Lippe?
Aktuell liegen wir bei 42 bis 45 Cent – vereinzelt gibt es Betriebe, die auch 50 Cent für ein Brötchen nehmen. Daran wird deutlich: Selbst wenn das noch einmal um zehn Prozent teurer werden sollte, ist es für einen Großteil der Bevölkerung immer noch bezahlbar.
Knapp zehn Cent Unterschied von Bäckerei zu Bäckerei – wie ist das zu erklären?
Wir dürfen bei allem, was da möglicherweise noch auf uns zukommt, nicht vergessen, dass die Situation in den Betrieben höchst unterschiedlich ist. Es gibt Betriebe, die haben noch laufende Energieverträge zu vergleichsweise günstigen Konditionen. Und es gibt Betriebe, die haben diese Verträge nicht mehr. Das gilt übrigens auch für Lieferverträge von Mehl und anderen Grundstoffen, die wir zum Backen benötigen. Daher ist die Betroffenheit sehr unterschiedlich. Klar ist aber: Es wird schwierig für alle Betriebe – für die großen wie die kleinen. Teurer wird es überall. Aber der Grad der Schwierigkeit ist doch sehr unterschiedlich.
Sind die Möglichkeiten zur Kosteneinsparung im Backhandwerk schon ausgereizt?
Bei der energetischen Effizienz sind wir sicherlich noch nicht am Ende der Fahnenstange. Auch da gibt es Betriebe, die schon seit Jahren auf einem guten Weg sind, da ist sicherlich nicht mehr viel zu holen. Aber ich glaube, dass bei der Masse der Betriebe noch eine Menge möglich ist. Allein durch die Veränderung von Backprozessen oder Rezepturen sind noch Einsparungen möglich. Vielleicht muss man auch energiefressende Produkte weglassen.
Was meinen Sie?
Ein „Doppelback“ heißt ja nicht grundlos Doppelback. Es wird doppelt gebacken. Ob das noch zeitgemäß ist, muss man sicherlich hinterfragen. Vielleicht muss es durch ein normales Graubrot ersetzt werden, was sicherlich anders schmeckt, energetisch aber sparsamer produziert werden kann. Am Ende kommen wir aber auch um eines nicht drumherum: Gebacken wird mit Wärme und die muss hergestellt werden. Es funktioniert eben nicht, dass man sagt, dann backt doch das Brötchen mit 140 Grad.
Zusätzlich zur Energiekrise hat das Backhandwerk ja auch noch mit dem Fachkräftemangel und der Konkurrenz durch industrielle Backwaren zu kämpfen.
Diese Gemengelage gibt es ja schon länger. Das kommt nicht additiv obendrauf. Den Fachkräftemangel erlebt die gesamte deutsche Wirtschaft. Damit müssen wir lernen umzugehen. Auch die Konkurrenz durch industrielle Backwaren ist nicht neu für unser Handwerk. Übrigens gibt es eine Berechtigung für beides. Es gibt Menschen, die die industriellen Backwaren sehr gerne essen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es gibt aber auch eine große Anzahl von Menschen, und das freut uns natürlich, die dem Bäckerhandwerk die Treue halten.
Rechnen Sie dennoch mit mehr Insolvenzen als in den vergangenen Jahren?
Nein. Im Moment ist die Situation stabil. Das Bäckerhandwerk bereitet sich vor und wartet in Teilen auch ab, was wir von der Politik erwarten dürfen. Bisher hat es keine Insolvenzwelle gegeben und wir hoffen, dass es diese auch nicht geben wird.
Kann das Inflationsbrot, wie es ein Bäcker im Kreis Borken anbietet, ein Weg aus der Krise sein?
Die Idee, sich einen Partner aus der Wirtschaft zu suchen, der ein Brot sponsert, um die Preise zu stabilisieren, ist sicherlich spannend. Dass das aber die Lösung für das ist, was da auf uns zurollt, glaube ich nicht. Zumal man auch nicht weiß, wie lange ein solcher Partner durchhält. Denn die steigenden Kosten treffen uns ja alle, auch potenzielle Partner aus der Industrie. Letztendlich müssen wir uns selbst aus dem Sumpf ziehen. Wir müssen versuchen, energieeffizienter zu arbeiten. Zusätzlich benötigen wir Unterstützung von der Politik.
Wie könnte diese Unterstützung aussehen?
Zunächst einmal sind wir bestrebt, dass wir in das sogenannte Energiekostendämpfungsprogramm reinkommen. Da sind wir und viele andere Handwerksbereiche noch außen vor. Aber das ist in Arbeit. Dadurch könnten extrem betroffene Betriebe finanzielle Unterstützung erhalten. Auch dass man derzeit über eine Strompreisdeckelung nachdenkt, ist ein positives Zeichen. Das würde ja nicht nur unserem Handwerk, sondern allen helfen. Das Gleiche gilt für einen Gaspreisdeckel. Wir als Bäckerhandwerk erwarten nicht, dass man uns die Energie schenkt, aber wir erwarten schon, dass die Politik zur Kenntnis nimmt, dass diese außergewöhnliche Situation auch außergewöhnliche Lösungen verlangt. Und genau die brauchen wir dringend.
Interview: Jürgen Bröker