Wie kann Bürgerbeteiligung gelingen? Dieser Frage geht das Projekt Losland nach. Grafik: Alberto Rey
15.06.2022

Bürgerbeteiligung erwünscht

Die Städte Gütersloh und Coesfeld nehmen an einem Modellprojekt für mehr Bürgerbeteiligung teil. Zukunftsräte sollen dort das Leben in der Stadt mitgestalten.

„Wir brauchen das Urteil von Bürgerinnen und Bürgern, die nicht Teil der Fraktionen sind. Eine größere Beteiligung kann nur dem Wohl der Stadt dienen“, sagt Güterslohs Bürgermeister Norbert Morkes. In seiner Stadt kommt der Zukunftsrat Mitte September zusammen, um über folgendes Thema zu beraten: „Enkeltaugliches Gütersloh: Wie und was können wir in Gütersloh teilen, um zusammen nachhaltiger zu leben?“

Die Bürger, die sich in den Zukunftsräten einbringen, werden per Losverfahren ausgewählt. Das sei ein wichtiger Baustein. So könne eine möglichst heterogene und diverse Gruppe zusammenkommen, die unterschiedlichste Positionen in die Arbeit einbringe. „Die Bürgerinnen und Bürger können Handlungsempfehlungen ausarbeiten, die für alle tragbar sind“, sagt Claudine Nieth, Bundesvorstandssprecherin des Vereins „Mehr Demokratie“, der das Projekt „Losland“ gemeinsam mit dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS Potsdam initiiert.

Gegen Politikverdrossenheit

Unterstützt wird das Modellvorhaben von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). „Es sind kommunikative Aushandlungsprozesse erforderlich zwischen Menschen, die vielleicht glauben, sich gar nichts zu sagen zu haben – oder nichts vom anderen hören zu wollen“, begründet Thomas Krüger, Präsident der BpB, die Unterstützung. Das Projekt will auch der zunehmenden Politikverdrossenheit etwas entgegensetzen. Dazu sei es notwendig, dass die im Zukunftsrat erarbeiteten Vorschläge auch umgesetzt werden.

Gütersloh ist eine von zehn „Losland“-Kommunen. Foto: Foto: Stadt Gütersloh – Fotograf Kai Uwe Oesterhelweg

Gütersloh ist eine von zehn „Losland“-Kommunen. Foto: Foto: Stadt Gütersloh – Fotograf Kai Uwe Oesterhelweg

Bundesweit beteiligen sich zehn Kommunen am Demokratieprojekt „Losland“. Der Ablauf ist dabei überall ähnlich. Der Rat der Kommunen hat dem Vorhaben, mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, zugestimmt. Nachdem etwa 20 Menschen aus den Melderegistern in den Zukunftsrat gelost wurden, beratschlagt sich dieser zur Frage nach einer „enkeltauglichen Zukunft“ für die Kommune. Das geschieht in einer etwa eineinhalbtägigen Klausur mit professioneller Begleitung. Anschließend präsentiert der Zukunftsrat die Ergebnisse in einem öffentlichen Forum der gesamten Stadtbevölkerung. Hier kann jeder mitdiskutieren. Anschließend folgt die Umsetzung.

Für ein glückliches Zusammenleben

„Die Zukunftsräte in den Losland-Kommunen ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Perspektiven, ihre Ideen und ihr Wissen über ihren Ort einzubringen. Es entstehen neue gemeinschaftliche Räume, in denen Bürgerinnen und Bürger ihr Zusammenleben jenseits von Filterblasen diskutieren können und Empfehlungen für die Politik erarbeiten“, so Claudine Nierth.

Eliza Diekmann ist in Burgsteinfurt aufgewachsen und hat in Wien und London studiert. Ab dem 1. November ist sie Bürgermeisterin von Coesfeld. Foto aus der Wahlkampagne: Simon Thon

Die Bürgermeisterin von Coesfeld Eliza Diekmann. Foto aus der Wahlkampagne: Simon Thon

Gütersloh ist mit etwa 100.000 Einwohnern die größte beteiligte Stadt. Der Start des Projektes in eher kleineren Kommunen ist kein Zufall. „Wir sollten auch bei strukturellen Veränderungen mehr Bottom Up denken: In den kleinen Kommunen starten, daraus lernen und das Gelernte auf Bund und Land übertragen“, sagt Eliza Diekmann, Bürgermeisterin von Coesfeld. Dort geht der Prozess aktuell in die heiße Phase. 200 bis 300 Menschen werden in den kommenden Tagen angeschrieben, ob sie sich eine Mitarbeit im Zukunftsrat vorstellen können.

Keine Eintagsfliege

„Wir hoffen, dass wir dann 20 Bürgerinnen und Bürger verteilt auf unterschiedliche Altersgruppen und die Geschlechter finden, die dabei sein wollen“, sagt Diekmann. Anfang September soll der Zukunftsrat in der Stadt im Münsterland zusammenkommen. Dort steht die Arbeit unter dem Motto „Was bedeutet ein glückliches Zusammenleben in Coesfeld – und was brauchen wir dafür?“. Für Diekmann ist klar, dass das Losland-Projekt keine Eintagsfliege bleiben soll. „Wir sind gespannt auf die Ideen der Bürgerinnen und Bürger und offen für weitere Beteiligungsprojekte“, sagt sie.

Jürgen Bröker, wsp

Weiter Informationen zum Projekt Losland gibt es hier.

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