Der Erzschacht in Marl-Drewer. Der Förderturm ist seit 1995 Industriedenkmal, der Maschinenhalle drohte der Abriss. Die „Erzschachtfreunde“, heute eine Gruppe im Marler Heimatverein, setzten sich erfolgreich für deren Bewahrung ein. Foto: Christoph Steinweg/LWL-Medienzentrum für Westfalen
04.06.2021

Gebaute Heimat

Die Baukultur steht im Mittelpunkt des dritten Bundeskongresses Heimat, der am 7. und 8. Juni online stattfindet. Diskutiert wird, wie Politik und Gesellschaft für den Wert des baukulturellen Erbes sensibilisiert werden können.

Gastgeber des digitalen Kongresses sind der Westfälische Heimatbund (WHB), der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz sowie der Lippische Heimatbund. Der WHB-Vorsitzende Matthias Löb wird in das Thema einführen: „Tagtäglich erleben wir in städtischen wie ländlichen Räumen den unwiederbringlichen Verlust baukulturellen Erbes. Dabei sind erhaltenswerte Gebäude, Quartiere und Siedlungen ein bedeutendes Element für die Lebensqualität der Menschen und zugleich angewandte Nachhaltigkeit.“

Beim Kongress mitdiskutieren wird auch Michael Arns. Der Architekt aus Freudenberg beschäftigt sich mit historischen Fachwerkbauten, wie sie in Südwestfalen typisch sind, ist Ortskurator für Siegen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und hat sich viele Jahre als stellvertretender Vorsitzender in der Architektenkammer NRW engagiert.

Michael Arns. Foto: BDA NRW

Michael Arns. Foto: BDA NRW

Herr Arns, was ist eigentlich Baukultur?
Die Baukultur prägt das Gesicht unserer Landschaft und einer Region. Im ländlichen Raum gibt es nur wenige denkmalgeschützte Gebäude, die erhaltenswerte Bausubstanz macht hingegen etwa ein Drittel der Bebauung aus. Diese regionaltypischen Gebäude, ob es dabei um Charakteristika wie Klinkerfassaden, Fachwerk, Schiefer oder auch bestimmte Dachformen und -materialien geht, tragen zur Identitätsbildung in einer Region bei. Das ist wichtig, um die Identifikation mit einem Ort zu stärken und auch, um in Dörfern eine Gemeinschaft zu bilden. Daher muss dieser Bausubstanz eine viel größere Aufmerksamkeit zukommen.

Gibt es ein ausreichendes Bewusstsein?
Wer mit offenen Augen durch eine Stadt geht, wird die Baukultur bemerken. Leider ist das gesellschaftliche Bewusstsein dafür aber sehr gering ausgeprägt. Das führt in vielen Fällen dazu, dass erhaltenswerte Gebäude abgerissen werden oder bei Neubauten keine Rücksicht auf das Umfeld genommen wird. Statt dessen geht es dann vor allem darum, persönliche Vorstellungen umzusetzen. Hier müssen Bauherren und Architekten in unserer selbstbewussten Demokratie für den Wert von Baukultur sensibilisiert werden. Vor allem aber braucht es in dieser Hinsicht mehr Vorbildung, die bereits bei Kindern ansetzen sollte.

Brauchen wir mehr Vorschriften und Satzungen?
Erfahrungsgemäß ist das nur die zweitbeste Möglichkeit. Ich bin überzeugt, dass wir immer dann gute Lösungen erzielen, wenn qualifizierte Menschen im konkreten Fall zusammenarbeiten, zum Beispiel in einem Gestaltungsbeirat, der eine Kommune in baulichen Fragen berät. Dieses Modell wird in vielen größeren Städten bereits praktiziert. Beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe gibt es außerdem einen Mobilen Gestaltungsbeirat, den zum Beispiel kleinere Kommunen engagieren können, die sich kein eigenes Gremium leisten können. Damit wurden bereits viele positive Erfahrungen gemacht. Allerdings ist hier der unbedingte Wille zur Qualität die Voraussetzung.

Wie schätzen Sie den Entwurf für das neue Denkmalschutzgesetz ein?
Das Gesetz würde den Denkmalschutz an vielen Stellen aufweichen. Besondere Sorgen bereitet mir, dass die Position der Denkmalfachämter beim LWL wie auch beim Landschaftsverband Rheinland geschwächt würde. Diese Stellen könnten dann nur noch beratend tätig sein, entscheiden müssten die Städte und Gemeinden in Denkmalschutzfragen. Gerade einige kleine Kommunen sind in diesem Bereich aber personell und fachlich nicht so stark aufgestellt. Sie brauchen Unterstützung; auch, um in Einzelfällen eine nicht sachgerechte Einflussnahme zu verhindern.

Weitere Informationen zum Bundeskongress Heimat und Anmeldung hier.

Interview: Annette Kiehl / wsp

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