28.06.2011

Bürgerhaushalt: Städte lassen Einwohner bei Finanzen mitreden

Westfalen (wh). Weniger Straßenbeleuchtung, den Ordnungsdienst einsparen oder Papier doppelt bedrucken? Über solche Sparvorschläge wird in immer mehr westfälischen Städten öffentlich beraten und abgestimmt. Bürgerhaushalte sollen die kommunale Finanzplanung transparenter machen und bei Einwohnern mehr Verständnis für Einsparungen wecken.
In Westfalen erstellen neun Städte den Haushalt mit Bürgerbeteiligung, in elf Städten diskutieren Politik und Verwaltung über die Einführung und die Gemeinde Emsdetten hat seine Einwohner seit 2005 bereits mehrmals in die Finanzplanung mit einbezogen, zeigt eine Übersicht auf der Internetseite Bürgerhaushalt.org.
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung macht deutlich, dass auch das Interesse in der Bevölkerung an Bürgerhaushalten groß ist. Laut der repräsentativen Umfrage können sich 47 Prozent der Bundesbürger vorstellen, sich hier zu engagieren. Nur 20 Prozent sagen das über die Arbeit in einer Partei oder Bürgerinitiative.
Die Stadt Gütersloh hat kürzlich eine Bilanz des Bürgerhaushaltes gezogen: Einsparungen oder zusätzliche Einnahmen in Höhe von 300.000 Euro sollen die rund 390 Vorschläge der Bürger für den städtischen Haushalt bringen. Um den Diskussionsprozess zu moderieren, richtete die Stadt eine spezielle Internetseite ein. Hier konnte jedermann Ideen einstellen, diese mit "pro", "contra" oder "neutral" bewerten oder kommentieren. Darunter war auch der Vorschlag, dass die Stadt künftig verstärkt kontrollieren soll, ob Hundebesitzer Steuern für ihre Tiere zahlen. Die Idee von Nutzer "mantovanelli" wird nun von der Stadtverwaltung umgesetzt " 60.000 Euro zusätzliche Einnahmen erwartet die Kommune. "Es ging uns jedoch nicht allein um neue Einsparpotenziale, sondern um mehr Bürgerbeteiligung insgesamt. Es wurde nach einem starken Votum der Bürger hin auch die Förderung der Altbausanierung wieder aufgenommen, was Kosten von 30.000 Euro bedeutet", berichtet Stadtsprecherin Susanne Zimmermann.
Überhaupt bedeutet die Einführung des Bürgerhaushaltes zusätzliche Kosten: Bis zu 150.000 Euro fallen in einer Großstadt an und zudem mehr Arbeit für Verwaltung und Ratsmitglieder, erklärt Dr. Oliver Märker. Er ist Experte für computergestützte Bürgerpartizipation und berät Kommunen zu diesem Thema. "Es gibt einen starken Trend zu mehr Transparenz bei politischen Entscheidungen und auch in der Finanzplanung", beobachtet er. "Zwar engagieren sich bei Bürgerhaushalten nur etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, aber zuvor, bei den herkömmlichen Haushaltsberatungen, war die Beteiligung gleich null", schildert er die Resonanz.
Der Vorteil für Städte liege dabei nicht in erster Linie in neuen Sparkonzepten. "Die meisten Vorschläge wurden in der Verwaltung und Politik schon einmal gedacht. Aber wenn sich die Politiker bei schwierigen Entscheidungen einer offenen Diskussion mit den Bürgern stellen, dann werden auch Kürzungen besser akzeptiert", meint Märker. Gerade die Proteste gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 hätten hier ein Umdenken hin zu mehr Transparenz bewirkt.

 

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