Bei der Kommunalwahl in NRW wird auch über die Zusammensetzung der Integrationsräte abgestimmt. Foto: Tim Reckmann / pixelio.de
11.09.2020

„Chancengerechtigkeit liegt mir am Herzen“

Integrationsräte sind eine feste Größe in der Lokalpolitik. Bei der Kommunalwahl dürfen Bürger mit Einwanderungsgeschichte die Räte wählen.

In NRW verfügt jede Gemeinde mit mehr als 5000 ausländischen Einwohnern über einen Integrationsrat, der sich ungefähr zu zwei Dritteln aus Migrantenvertretern und einem Drittel Ratsmitgliedern zusammensetzt. Aysun Tekin war sechs Jahre lang Vorsitzende des Integrationsrates in Dortmund. Die 48-jährige Bildungsberaterin führt hauptberuflich den Verein „Unternehmen.Bilden.Vielfalt“. Sie ist in einer türkischen Familie aufgewachsen und lebt seit 1983 mit Unterbrechungen in Dortmund.

Frau Tekin, warum haben Sie sich 2014 für den Integrationsrat beworben?
Ich habe mich bereits seit einigen Jahren politisch engagiert und bin im SPD-Ortsverein und auch im Stadtbezirk der Partei aktiv. Besonders die Chancengerechtigkeit von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte liegt mir am Herzen. Bei diesem Thema wollte ich auch politisch etwas bewegen und habe mich deshalb als Vorsitzende beworben.

Kommunalpolitik wird immer noch vor allem von Männern gemacht. Trifft das auch auf Integrationsräte zu?
Als Vorsitzendes dieses Gremiums war ich 2014 sicher noch eine Ausnahmeerscheinung und vielleicht auch eine Eisbrecherin für einen Wandel. Früher wurden Integrationsräte häufig eher von Männern dominiert. Das ändert sich aber immer mehr. Die Räte werden vielfältiger und jünger, wie man anhand der Bewerberlisten für die Wahl sehen kann.

Aysun Tekin. Foto: privat

Aysun Tekin. Foto: privat

Welche Aufgaben hat der Integrationsrat?
Wir sind ein wichtiges kommunalpolitisches Bindeglied und ermöglichen es Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, politisch mitzureden und mitzuentscheiden. Wichtig ist uns ein Austausch mit der Politik auf Augenhöhe. Der Integrationsrat ist in allen Ausschüssen und Beiräten vertreten und hat auch an den Masterplänen für verschiedene Themen in Dortmund mitgearbeitet. In einer Stadtgesellschaft mit fast 600.000 Einwohnern, in der jeder dritte Bürger ausländische Wurzeln hat, ist dies unverzichtbar.

Was konnten Sie in den letzten Jahren bewegen?
Wir haben uns besonders für die interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingesetzt. Vor ein paar Jahren war die Situation noch so, dass hier nur fünf bis sechs Prozent der Auszubildenden einen Migrationshintergrund hatten. Mittlerweile liegen wir bei einer Quote von 26 Prozent. Um das zu erreichen, haben wir eng mit der Verwaltung zusammengearbeitet und auch bei Migrantenorganisationen für die Stadt als Arbeitgeber geworben.

Nach rund sechs Jahren Amtszeit bewerben Sie sich nicht erneut.
Das stimmt. Mir liegt dieses Mandat sehr am Herzen, aber ich habe mich dazu entschieden, nicht wieder zu kandidieren. Während meiner Zeit als Vorsitzende habe ich mich voll und ganz für diese Sache engagiert. Das bedeutet eine enorme Arbeitsbelastung und das möchte ich neben meinem Beruf nicht mehr leisten. Es ist nun auch gut, dass eine neue Vorsitzende oder ein neuer Vorsitzender frischen Wind in das Gremium bringt und eigene Schwerpunkte setzt. Politisch aktiv sein werde ich nach wie vor.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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