Dr. Peter Liese, 1956 in Olsberg geboren, ist gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Christdemokraten im EU-Parlament.
13.11.2020

„Sehr gute Aussichten“

Im Interview mit dem WESTFALENSPIEGEL spricht Dr. Peter Liese über den Corona-Impfstoff und die Verhandlung der EU, um die Impfdosen zu verteilen. Liese vertritt als EU-Abgeordneter die Interessen der Region Südwestfalen in Brüssel, zudem ist er Arzt und Sprecher des Ausschusses für Volksgesundheit.

Herr Dr. Liese, die Zulassung eines Impfstoffs rückt näher. Wie schätzen Sie diese Nachricht ein?
Ich bin sehr optimistisch. Ich kenne und schätze die Firma Biontech und ihre Forschungen. Nun bin ich positiv überrascht, dass wir bei den klinischen Prüfungen des Impfstoffs eine Schutzwirkung von 90 Prozent sehen. Eine sensationelle Quote! Natürlich muss das noch von der Europäischen Arzneimittelagentur überprüft werden, aber die Aussichten sind sehr positiv.

Die EU hat die Verteilung von 300 Millionen Impfdosen vereinbart. Wie ist es dazu gekommen?
Als Koordinator der EVP-Fraktion für Gesundheitsfragen war ich in die Vertragsverhandlungen eingebunden und stehe in Kontakt mit der Europäischen Kommission, der Bundesregierung und auch mit der Firma Biontech. Ich habe mich besonders dafür eingesetzt, dass wir diesen Vertrag zu fairen Bedingungen abschließen. Biontech ist ein seriöser deutscher Mittelständler. Pfizer hingegen ist ein amerikanischer Konzern mit ganz anderen Vorstellungen. Hier war es mir wichtig, die europäische Sichtweise einzubringen. Das bedeutet, dass ein Impfstoff, der mit deutschen und europäischen Mitteln entwickelt wurde, den Bürgerinnen und Bürgern hier so schnell wie möglich zur Verfügung steht und dass die europäischen Gesetze zu Transparenz und Haftung gelten.

Welchen Einfluss hat die EU in diesem Verfahren?
Die Europäische Kommission hat bei diesen Verhandlungen für 27 Mitgliedsstaaten plus Norwegen gesprochen. Damit hatte sie deutlich mehr Macht als ein einzelner Staat. Ich bin sehr froh, dass die Europäische Kommission gemeinsam mit der deutschen Ratspräsidentschaft das so gut hingekriegt hat.

Die EU hat sich 300 Millionen Impfdosen gesichert. Foto: pixabay

Die EU hat sich 300 Millionen Impfdosen gesichert. Foto: pixabay

Was kommt jetzt?
Bei der Genehmigung, Beschaffung und Zulassung der Impfstoffe ist der Einfluss der EU ebenfalls sehr wichtig. Die Europäische Arzneimittelagentur in Amsterdam steht seit Monaten in diesem Prozess bereit. Es gibt dort ein Expertenteam, das jedes Detail untersucht, um zu gewährleisten, dass wir einen sicheren Impfstoff haben. Damit das schnell geht, werden im sogenannten Rolling-Review-Verfahren die Forschungsergebnisse kontinuierlich zur Prüfung vorgelegt, so dass es zum Abschluss der Zulassung keine unnötigen Wartezeiten gibt.

Wie sicher wird der Impfstoff sein?
Mehr als 40.000 Menschen waren in die Studie eingebunden, davon haben über 20.000 den Impfstoff erhalten. Es sind, nach allem was wir wissen, keine schweren Nebenwirkungen eingetreten. Aus der Forschung wissen wir, dass sich Impfschäden in der Regel bereits einige Wochen nach der Impfung zeigen. Daher bin ich sehr optimistisch, dass es auch langfristig keine schweren Nebenwirkungen geben wird. Ein theoretisches Restrisiko besteht natürlich, dem gegenüber steht jedoch die tatsächliche Gefahr, die von einer Corona-Infektion ausgeht. Hier sollte man sich vergegenwärtigen, dass allein am Dienstag dieser Woche in Deutschland 261 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben sind. Ich werde mich auf jeden Fall impfen lassen.

Welche Herausforderungen gibt es nun?
Mit der Impfung nähern wir uns dem Ende der Pandemie. Eine Herausforderung wird dabei sein, wie wir die Verteilung des Impfstoffs organisieren. Dabei geht es um technische Fragen, wie die richtige Kühlung der Ampullen. Schwieriger ist aber die Entscheidung, wer zuerst geimpft werden darf. Ist es ein Polizist oder eine Pflegekraft? Ein 60-Jähriger mit Vorerkrankung oder eine 90-jährige Dame? Wichtig ist es mir aber auch, dass wir uns gerade jetzt, mit Blick auf die Impfung, darauf konzentrieren, die Verbreitung des Virus einzudämmen und Abstand zu halten. Hier sollte man sich klar machen, dass jeder Corona-Toter ein vermeidbarer Todesfall ist.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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