Das Team Wolf vor dem Eingang zum Vatikanischen Apostolischen Archiv. (V.l.) Hubert Wolf, Barbara Schüler, Elisabeth-Marie Richter, Sascha Hinkel, Michael Pfister und Matthias Daufratshofer. Foto: Privat
13.03.2020

Corona: Münsteraner Forscher brechen Arbeit in Rom ab

Ein Forscherteam der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Münster musste Anfang der Woche aus Rom abreisen. In der italienischen Hauptstadt wollten sie im „Vatikanischen Geheimarchiv“ forschen.

Eigentlich war die Forschergruppe nach Rom gereist, um Antworten auf einige der meistdiskutierten Fragen der Kirchengeschichte zu suchen. Doch ihre Arbeit fand wegen der Corona-Krise ein jähes Ende. „Ein Teil unserer Gruppe ist am Samstag aus Rom abgereist, der andere Teil am Dienstag“, sagt Dr. Barbara Schüler im Gespräch mit westfalenspiegel.de. Seither verlassen die Forscher wegen der Einreise aus einem Risikogebiet ihre Wohnungen nicht mehr. Der Fall der Münsteraner Forscher zeigt: Auch vor der Wissenschaft macht das Coronavirus nicht halt. 

In den erst vor zwei Wochen geöffneten vatikanischen Archiven wollten die Wissenschaftler neue Quellen aus dem Pontifikat von Papst Pius XII. (1939 bis 1958) auswerten. Mit der Öffnung seien allein im Vatikanischen Apostolischen Archiv – bis 2019 „Vatikanisches Geheimarchiv“ genannt – mehr als 200.000 Aktenbündel und Kartons neu zugänglich, die jeweils bis zu 1.000 Blatt enthalten, teilt die Fakultät mit. Weitere Quellen gebe es unter anderem in den Archiven der Glaubenskongregation, der Nachfolgeorganisation der Römischen Inquisition, und des Staatssekretariats, das mit einem Außenministerium zu vergleichen ist, heißt es weiter.

Dokumente über Kardinal van Galen

Professor Hubert Wolf und sein Team wollen die Motive erforschen, die Pius XII. davon abhielten, laut und deutlich gegen die Ermordung der europäischen Juden zu protestieren, teilt das Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte mit. Darüber hinaus seien viele weitere Fragen offen: Was wusste der Papst von der Fluchthilfe hochrangiger Kurienmitglieder für deutsche und kroatische Kriegsverbrecher? Was beeinflusste seine Haltung zur Gründung Israels? Und warum blickte er nach 1945 kaum einmal auf die Zeit der Shoa und des Zweiten Weltkriegs zurück, um über Verantwortung und Schuld zu sprechen? Diese Fragen sollen durch die Arbeit in den Archiven nun beantworten werden. 

Die Mitarbeiter der Uni Münster waren für die Sichtung der Akten in allen wichtigen Archiven angemeldet. „Einiges haben wir auch schon gesehen. Auch Akten, die einen Bezug zu Münster und Westfalen haben“, so Schüler. Darunter Dokumente, die auch den Münsteraner Bischof Kardinal von Galen zum Thema hatten oder Akten zu Bischofswahlen. 

Archive schließen voraussichtlich bis Oktober

„Genaue Ergebnisse können wir aber noch nicht vorlegen“, sagt Schüler. Eigentlich waren die Forscher bis Ostern für die Sichtung in den Archiven angemeldet. Eine weitere Phase sollte im Mai starten. Wie es nun weitergeht, ist wegen der dramatischen Corona-Ausmaße in Italien noch nicht abzusehen. Voraussichtlich werden die Archive in der römischen Hauptstadt erst im Oktober wieder öffnen.

Die Forschungen am Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster werden durch die Stiftung Alfried Krupp von Bohlen und Halbach unterstützt. Mit den Mitteln aus der Stiftung werden die Reisekosten und zwei halbe Stellen für die Teammitglieder finanziert.

Jürgen Bröker/wsp

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