Das LWL-Inklusionsamt Arbeit unterstützt Arbeitgeber darin, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung einzurichten. Foto: Birgoleit
03.12.2021

„Corona-Pandemie hat schwer geschadet“

Der Arbeitsmarkt hat sich im Herbst erholt. Die Arbeitslosigkeit in Westfalen ist auf 6,1 Prozent und damit auf einen neuen Niedrigststand gesunken. Deutlich schwieriger ist die Situation für arbeitssuchende Menschen mit Behinderung.

Im Kreis Borken liegt die Arbeitslosigkeit bei 3,2 Prozent, das entspricht praktisch einer Vollbeschäftigung. Fachkräfte werden stark gesucht. Anders sieht es für Arbeitssuchende aus, die ein Handicap haben, berichtet Johann Meiners, Leiter der Agentur für Arbeit Coesfeld. Gerade am 3. Dezember, dem Tag der Menschen mit Behinderung, wirbt er um Aufklärung. „Menschen mit einer Behinderung haben es schwerer am Arbeitsmarkt. Aus Erfahrung wissen wir, dass sie gute Arbeitskräfte in den Unternehmen sein können, es lohnt sich also, ihnen eine Chance zu bieten“, sagt Meiners.

Deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit

Das Inklusionsbarometer Arbeit, eine Studie der Aktion Mensch zur Situation von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt, macht deutlich, dass „die Corona-Pandemie diesem Bereich schwer geschadet“ hat. In Nordrhein-Westfalen waren im zweiten Jahr der Pandemie immer noch neun Prozent mehr Menschen mit Behinderung ohne Arbeit als vor der Pandemie.

In Westfalen ist die Tendenz ähnlich: Waren im Oktober 2019 knapp 22.400 Menschen mit Behinderung ohne Arbeit, so sind es aktuell fast 24.100. Michael Wedershoven, Leiter des Inklusionsamtes Arbeit beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), erklärt, dass Arbeitgeber gerade in unsicheren Zeiten weniger bereit sind, Menschen mit Behinderung einzustellen. Der stärkere Kündigungsschutz oder auch eine Scheu vor zusätzlichem Aufwand spielen hier eine Rolle. „Wenn schwerbehinderte Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, ist es für sie nun schwieriger, eine neue Stelle zu finden. Das Risiko einer Langzeitarbeitslosigkeit ist dann deutlich höher“, berichtet Wedershoven. Wichtig ist ihm zu betonen, dass hinter dem Stichwort „Schwerbehinderung“ unterschiedlichste Einschränkungen stehen. Auch die Betroffenheit in der Pandemie sei ganz verschieden ausgeprägt, betont der Inklusionsexperte: „Menschen, deren Immunsystem aufgrund einer Behinderung oder schweren Erkrankung beeinträchtigt ist, zählen in der Pandemie zu den besonders vulnerablen Gruppen. Wer aber beispielsweise aufgrund eines Bandscheibenvorfalls schwerbehindert ist, ist in der Regel weniger gefährdet.“

Der Labrador Brezel unterstützt als Assistenzhund Maurice Eschen an seinem Arbeitsplatz im LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe. Foto: LWL

Der Labrador Brezel unterstützt als Assistenzhund Maurice Eschen an seinem Arbeitsplatz im LWL-Inklusionsamt Soziale Teilhabe. Foto: LWL

Tatsächlich können Menschen mit Behinderung vom zunehmenden Fachkräftemangel profitieren, beobachtet Wedershoven. Zum Beispiel in der Logistikbranche sei das zurzeit der Fall. Oft sei es aber notwendig, Unternehmen auf diese Möglichkeiten aufmerksam zu machen und auch Vorurteile zu überwinden. „Wir werben darum, dass Arbeitgeber sich informieren, welche Arbeitsplätze für Menschen mit bestimmten Einschränkungen geeignet sind. Warum sollte ein Ingenieur, der im Rollstuhl sitzt, nicht in einem Architekturbüro arbeiten? Und wenn es doch einmal hakt, kann man vieles über technische Hilfsmittel regeln“, ist der Leiter des LWL-Inklusionsamtes Arbeit überzeugt.

Wedershoven wirbt darum, die Vorteile von Mitarbeitern mit Behinderung zu sehen: „Wir sehen, dass solche Arbeitnehmer sehr loyal sind, gute Arbeit leisten und sich nicht schnell auf den nächsten Job bewerben. Arbeitgeber berichten immer wieder, dass sich das Betriebsklima verbessert, wenn Menschen mit Handicap Teil des Teams sind. Es wird mehr Rücksicht genommen – auch auf Menschen, die keine Behinderung haben.“

aki, wsp

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