Keine Marschmusik, kein Schützenfest – für die Schützenvereine in Westfalen war das Coronajahr ein verlorenes Jahr. Foto: pixabay
18.11.2020

Corona trifft Schützenvereine hart

Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Absage ihrer Feste hat die Schützenvereine in Westfalen ins Mark getroffen, zeigt eine Untersuchung der Universität Paderborn. 

Weder Festumzüge noch Versammlungen, weder Vogelschießen noch Krönungsball – wegen der Corona-Pandemie mussten in diesem Jahr nahezu sämtliche Angebote der Schützenvereine in Westfalen abgesagt werden. Um herauszufinden, wie sehr sich das Leben der Schützenvereine dadurch verändert hat, haben Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Kulturerbe der Universität Paderborn eine Online-Umfrage zu den Folgen der Corona-Pandemie durchgeführt, teilt die Universität mit. „Die kulturelle Praxis der Schützenvereine ist durch die Pandemie in ihrem Lebensnerv und Wesenskern getroffen, da gerade das Zusammenspiel von Gemeinschaft und Geselligkeit in der Krise nur schwer realisierbar und digital simulierbar ist“, sagt Jonas Leineweber, Projektmitarbeiter an der Universität Paderborn, in seinem Zwischenfazit.

„Massive Auswirkungen“

Insgesamt hatten 2.274 Personen an der Befragung zwischen dem 1. September und 2. November teilgenommen. 90 Prozent von ihnen seien Mitglieder in einem Schützenverein oder haben etwa als Festbesucher einen Bezug zum Schützenwesen, so die Universität Paderborn. „Die Corona-Pandemie traf insbesondere den Bereich des Immateriellen Kulturerbes, also Bräuche und Rituale, aber auch den ganzen Bereich der Aufführungspraxis. Ausdrucksformen wie das Schützenwesen spüren die vielfältigen Auswirkungen nun massiv“, erklärt die Leiterin des Projekts und des Kompetenzzentrums, Prof. Dr. Eva-Maria Seng.

Jonas Leineweber forscht zu Schützenvereinen in Westfalen; Foto: Kirsten Hötger

Jonas Leineweber forscht zu Schützenvereinen in Westfalen; Foto: Kirsten Hötger

Dabei steht die große Mehrheit der Befragten hinter der Entscheidung, die Schützenfeste abzusagen. 95 Prozent hielten das für richtig. Trotzdem ist das Bedauern groß: Mehr als 90 Prozent der Befragten vermissten die Schützenfeste im Vergleich zu anderen Veranstaltungen und Angeboten der Vereine am stärksten. Ihnen fehlten die Schützenfeste vor allem als Ort der Begegnung und des Wiedersehens mit Freunden und Bekannten sowie als Ort der Geselligkeit und Gemeinschaft. Aber auch das Erleben von Traditionen und Ritualen wurde von den Befragten stark bedauert.

Sorge um die Zukunft der Vereine

Zugleich ist die Sorge um die Zukunft der Schützenvereine bei den Befragten groß. Vor allem dann, wenn es krisenbedingt auch im nächsten und übernächsten Jahr kein Schützenfest geben sollte. Rund 60 Prozent befürchten einen Mitgliederschwund der Vereine, mehr als die Hälfte sieht sogar die Existenz der Schützenvereine bedroht. Viele sehen damit auch negative Konsequenzen für das Leben in der Ortsgemeinschaft verbunden. So vermutet eine deutliche Mehrheit, dass durch einen längeren Ausfall der Schützenveranstaltungen das Gemeinschaftsgefühl sowie der Zusammenhalt in ihren Wohnorten zurückgehen wird. „Diese Angaben zu den Auswirkungen für den gesamten Ort und die Ortsgemeinschaft, in dem die Schützenvereine ansässig sind, lassen erahnen, welche Bedeutung die Vereine gerade in den ländlichen Regionen als Träger kultureller Infrastruktur und gemeinschaftsstiftenden Faktor einnehmen“, erklärt Leineweber.

Hoffnungsschimmer

Immerhin glaubt ein Viertel der Befragten aber auch, dass die Bedeutung der Vereine durch die Pandemie noch gestiegen ist. Und es werden Chancen für die Weiterentwicklung gesehen, etwa bei den Themen „Kreativität“ oder Digitalisierung. In diesen Feldern könne sich die Krise als Katalysator für die Vereine erweisen, heißt es.

Ein Interview mit Jonas Leineweber zur Bedeutung der Schützenvereine für die Ortsgemeinschaft lesen Sie hier:
Schützenvereine bereichern das kulturelle Leben im Ort

Das Kompetenzzentrum für Kulturerbe der Universität Paderborn stellt die Ergebnisse der Befragung, die in Kooperation mit der Warsteiner Brauerei durchgeführt wurde, auch in einem Podcast vor. Wie sie diesen hören können, erfahren Sie hier: Schützenpodcast

wsp

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