Coronabedingt weniger Kirchenaustritte
Wegen der Corona-Pandemie sind im vergangenen Jahr in Westfalen weniger Menschen aus den Kirchen ausgetreten als 2019. Dennoch kehren immer noch viele Angehörige der katholischen und evangelischen Kirche ihrer Institution den Rücken.
So ist etwa die Mitgliederzahl der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) um 2,1 Prozent auf 2.104.806 zurückgegangen. Der größte Faktor sei dabei die gestiegene Zahl an Todesfällen gewesen, teilt die EKvW mit. Zwar sei die Zahl der Austritte 2020 um 22,5 Prozent niedriger als im Vorjahr. Doch mit 16.123 Personen seien immer noch viele Menschen aus der westfälischen Landeskirche ausgetreten.
Als Motive für den Austritt gaben die Menschen im Rahmen einer Pilotstudie der westfälischen und württembergischen Landeskirche die innere Distanz zum christlichen Glauben und die Kirchensteuer an. Rund 464 Telefoninterviews haben die beiden Landeskirchen dazu im Oktober 2020 mit Personen geführt, die im Vormonat ausgetreten waren.
Geringe Zahl an Taufen und Trauungen
Besonders große Sorgen bereitet den Kirchen die geringe Anzahl Trauungen und Taufen. Auf dem Gebiet der EKvW traten nur 1029 Paare vor den Altar, 2019 waren es noch 3387 (minus 69,6 Prozent). Die Zahl der Taufen reduzierte sich im gleichen Zeitraum fast um die Hälfte auf 8125 . „Ein Jammer, dass im vergangenen Jahr so viele Taufen und Trauungen nicht wie geplant stattfinden konnten. Sie bieten kostbare Anknüpfungspunkte für unsere Kirche, um mit Menschen in persönlichen Kontakt zu treten und in Kontakt zu bleiben“, sagte Präses Annette Kurschus, leitende Theologin der EKvW.
Auch die Lippische Landeskirche musste Verluste hinnehmen. 2020 haben 1123 Menschen dort die Kirche verlassen, im Jahr 2019 waren dies 1468. Den katholischen Bistümern geht es nicht besser. So zählte das Bistum Münster 1.797.569 Gläubige. Ein Jahr zuvor waren es noch fast 27.000 mehr. 12.698 Mitglieder traten aus. Das sind fast 4000 weniger als 2019. Besonders deutlich sank die Zahl der Gottesdienstbesucher. Nur noch rund 89.000 Menschen nahmen im vergangenen Jahr regelmäßig an Gottesdiensten in den Kirchen des Bistums teil. Das waren knapp 60.000 weniger als im Vorjahr.
Bischof Genn: „Zahlen nicht schönreden“
„Einen gewissen Rückgang hatten wir in den vergangenen Jahren immer zu verzeichnen. Die Zahlen des Jahres 2020 sind aber massiv von der Corona-Pandemie beeinflusst. Kirchliches Leben in größerer Gemeinschaft war im vergangenen Jahr leider nur begrenzt möglich“, erklärte der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn. Und weiter: „Umgekehrt dürfen wir uns die Tatsache, dass 2020 weniger Menschen aus der Kirche ausgetreten sind, nicht schönreden. Die Amtsgerichte waren zeitweise geschlossen, und viele Menschen hatten zudem sicher andere Sorgen. Dieses Jahr holt uns die Wirklichkeit mit, soweit wir das im Moment wissen, deutlich höheren Austrittszahlen wieder ein.“
Auch im Bistum Essen, mit den westfälischen Dekanaten Altena-Lüdenscheid, Bochum-Wattenscheid, Bottrop, Gelsenkirchen, Gladbeck und Hattingen-Schwelm traten weniger Menschen aus der Kirche aus als im Vorjahr. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch im Erzbistum Paderborn.
wsp
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