Mozarts Oper "Don Giovanni" mit Denis Velev in der Titelrolle steht aktuell in Dortmund auf dem Spielplan Foto: Theater Dortmund / Björn Hickmann
13.02.2025

Das Dortmunder Opernglück

Heribert Germeshausen führt das Musiktheater zu künstlerischem Erfolg bei hohen Besuchszahlen.

Die Oper Dortmund ist ein richtig großes Haus. Hier muss viel Energie von der Bühne kommen, und es dürfen auch nicht nur 400 Leute im Saal sitzen. Sonst wirkt ein Abend schnell schlapp. Außerdem gibt es in der Stadt zahlenmäßig kein großes Musiktheaterpublikum im klassischen Sinn, für das ein Opernbesuch selbstverständlich ist. Dortmund will und muss erobert werden. Eben das hat Intendant Heribert Germeshausen geschafft, mit einem vitalen Mix aus populären Stücken und Raritäten, die internationale Aufmerksamkeit und Auszeichnungen bringen. Die Oper Dortmund boomt.

Schon als Kind Mozart-Fan

Heribert Germeshausen. Foto: Theater Dortmund / Björn Hickmann

Heribert Germeshausen. Foto: Theater Dortmund / Björn Hickmann

Heribert Germeshausen verkörpert pure Opernbegeisterung. Wenn man ihn auf bestimmte Stücke anspricht, sprudelt er los, kennt alle Namen und Aufnahmen – und wirkt dabei nicht wie ein Opern-Nerd. Er hat seine Gesprächspartner im Blick, hört zu, weiß, wie viel Infos jemand verträgt und wann er wegdriftet. Germeshausen kann auf höchstem Fachniveau diskutieren, aber auch Gelegenheitsbesuchern erklären, warum ein Stück megatoll ist und gerade in die Zeit passt. Und er gibt auch zu, wenn mal eine Aufführung nicht so gelungen ist, wie er sich das vorstellt. Diese Kommunikationsfähigkeit ist enorm wichtig, wenn man als Opernintendant heute Erfolg haben will.

Vielleicht hilft es, dass der 1971 in Bad Kreuznach geborene Intendant nicht aus einer Musikerfamilie stammt. „Ich komme aus einem kulturbegeisterten Elternhaus, aber es gab bei uns keine Künstler“, erzählt Heribert Germeshausen. Deshalb hat er auch zunächst Jura studiert, was Ordentliches. Aber schon als kleines Kind stand er auf einem Hocker und hat zu Platten dirigiert. Und weiß noch genau, was im ersten Akt von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ in der Bayerischen Staatsoper passierte. Den durfte er nämlich als Kind mitgucken, in der Hochhauswohnung seiner Eltern, bevor sie ihn ins Bett schickten. Das war der Beginn der Opernleidenschaft. Die Gesamtaufnahme der „Entführung“ wollte der Junge unbedingt haben, sie war ihm ebenso wichtig wie der „Räuber Hotzenplotz“. „Seit meinem neunten Lebensjahr beschäftige ich mich jede freie Minute mit Musik“, erzählt Germeshausen. „Ich habe mir erst Aufnahmen von allen Mozart-Opern gekauft, dann Richard Wagner, dann Richard Strauss.“ Bis heute sind das seine Lieblingskomponisten. Beruflich wurde der Weg zum Musiktheater nicht ganz so leicht. Der erste Traum, Dirigent zu werden, scheiterte. „Ich spiele nicht gut genug Klavier.“ Auch die Ideen, Tenor oder Opernregisseur zu werden, hat Germeshausen begraben. Es blieb der Job hinter den Kulissen, erst als Dramaturg, dann als Operndirektor in Dessau und Heidelberg, schließlich seit 2018 als Intendant in Dortmund. Also Spielpläne zusammenstellen, Regieteams und das Ensemble engagieren, der Typ sein, der den Kopf hinhält, wenn irgendetwas schiefläuft.

„Wagner-Kosmos“ in Dortmund

Obwohl in seine Dortmunder Zeit auch die Pandemie fiel, hat bisher eine Menge geklappt. Heribert Germeshausen hat ein wirkungsvolles Konzept. Die Eröffnungspremiere ist ein bekannter Titel, frisch und zugänglich inszeniert. Dann kommt das Musical, meist inszeniert von Gil Mehmert, der gerade wieder mit „Sweeney Todd“ einen echten Kracher geliefert hat. Und dann ist Spielraum für ungewöhnliche und anspruchsvolle Projekte. „Ich habe schon den Anspruch, eine internationale Wahrnehmung zu haben und Projekte jenseits des Mainstreams zu machen“, sagt Germeshausen. Die vielen Auszeichnungen in den vergangenen Jahren bestätigen das. „Ein Intendant muss den Herzschlag einer Stadt spüren“, erklärt Germeshausen. „Das ist der Ausgangspunkt für die künstlerische Planung. Eine Oper muss Geschichten erzählen, sie muss sinnlich sein.“ Der „Wagner-Kosmos“ ist eine Erfindung des Dortmunder Intendanten. Er stellt Richard Wagners Werke in Zusammenhang mit vergessenen Stücken aus seinem zeitlichen Umfeld, begleitet von einem Kongress. „Wir sehen Wagner viel zu oft aus der Perspektive, dass er von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde“, erläutert Germeshausen. „Ich will ihn auch als modernen, von den demokratischen Revolutionen seiner Zeit begeisterten Komponisten zeigen.“ Gerade inszeniert der legendäre Regisseur Peter Konwitschny in Dortmund seinen ersten „Ring des Nibelungen“, unterhaltsam, kritisch, oft satirisch zugespitzt.


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Die Oper ist teuer. Sehr viel Personal ist nötig, um die Stücke aufzuführen. Und wenn man höchste Qualität liefern will, sind auch die Regieteams und Dirigenten nicht billig. Gleichzeitig wächst der finanzielle Druck. Die Kosten steigen, die Kulturetats werden vielerorts heftig diskutiert. „Es ist eine Herausforderung“, sagt Heribert Germeshausen. „in den nächsten Jahren die Qualität zu halten. Aber über das Fortbestehen der Kunstform Oper mache ich mir keine Gedanken.“ Wie lebendig sie ist, beweist gerade das Dortmunder Musiktheater.

Stefan Keim

Aktuelle Opernaufführungen in Dortmund: „Don Giovanni“ am 14. und 26.2., 2. und 15.3.; „Die Kinder des Sultans“, fantastische Oper ab 8 Jahren, 23. und 25.2.; „Die Walküre“, ab 23.3.; „Siegfried“ ab 6.4.; „Götterdämmerung“ ab 18.5.; Opern-und Operettengala, ab 6.6.; Weitere Informationen hier.

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