Das Kloster Cappenberg, hier in einer Szene aus dem Animationsfilm "Cappenberg 1122", illustriert von Niklas Schwartz. Foto: LWL-Medienzentrum für Westfalen
26.01.2023

Das Erbe der Cappenberger

Ausstellung am historischen Ort über eine bedeutende Klostergründung vor 900 Jahren und den Mythos um Kaiser Barbarossa.

Zwischen dem Papst und den Herrschern des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation begann 1075 ein fast 50 Jahre währender Streit. Es ging um die Frage, wer im Reich die Bischöfe und Äbte einsetzen darf – die Könige und Kaiser oder das Oberhaupt der katholischen Kirche. Den sogenannten „Investiturstreit“ trugen die Konfliktparteien immer wieder auch mit Waffengewalt aus. So fielen kirchentreue Truppen 1121 in Münster ein, wo die Bürger zuvor den Bischof vertrieben hatten, und setzten die Stadt in Brand. Auch der Dom stand in Flammen. Der Kaiser machte dafür Graf Gottfried von Cappenberg verantwortlich und klagte ihn wegen Hochverrats an. Neben der Strafe fürchtete Gottfried insbesondere um sein Seelenheil – bis er 1122 in Köln Norbert von Xanten begegnete, dem Gründer des Prämonstratenserordens. Er fasste einen Entschluss mit weitreichenden Folgen.

Erstes Prämonstratenserkloster Westfalens

Gottfried (um 1097–1127) und sein Bruder Otto (um 1100–1171) stehen im Mittelpunkt der Ausstellung „Das Vermächtnis von Cappenberg“, die das LWL-Museum für Kunst und Kultur auf Schloss Cappenberg als einen Teil der aktuellen großen Barbarossa-Ausstellung zeigt. In der Schau im Selmer Stadtteil Cappenberg wird auf 600 Quadratmetern erklärt, warum an dem hoch gelegenen Ort nördlich der Lippe im 12. Jahrhundert Geschichte geschrieben wurde – und was der berühmte Kaiser Barbarossa damit zu tun hatte.

Die Kirche St. Johannes Evangelist in Salm-Cappenberg war bis zur Säkularisierung die Kirche des 1122 gegründeten Klosters Cappenberg. Foto: LWL/Hanna Neander

Die Kirche St. Johannes Evangelist in Salm-Cappenberg war bis zur Säkularisierung die Kirche des 1122 gegründeten Klosters Cappenberg. Foto: LWL/Hanna Neander

Gottfried hatte in Norbert von Xanten seinen Seelenretter gefunden. Er trennte sich von seinem Hab und Gut, was reichsweit für Aufsehen sorgte, und stiftete an Norberts jungen Prämonstratenserorden seine Burg Cappenberg. Dort wurde 1122, also vor 900 Jahren, das erste Prämonstratenserkloster Westfalens gegründet. Gottfried, seine Frau Ida von Arnsberg und sein Bruder Otto traten in den Orden ein, der europaweit an Einfluss gewann und zum größten Orden von Chorherren in der katholischen Kirche aufstieg. Allein in Westfalen gab es 16 Klosterniederlassungen, darunter Clarholz, Wedinghausen, Bredelar, Varlar und Flaesheim. Zugleich waren die Cappenberger Grafen aus dem Wettbewerb um die politische Führungsrolle in Westfalen ausgeschieden – davon profitierte der Bischof von Münster, dessen Fürstbistum über Jahrhunderte der flächenmäßig größte geistliche Staat im Heiligen Römischen Reich werden sollte.

Cappenberger Triumphkreuz in der Stiftskirche

Dass die Cappenberger eine gute Beziehung zu den aufstrebenden Staufern in Schwaben unterhielten, wird in dem eigens für die Ausstellung produzierten Animationsfilm „Cappenberg 1122“ des LWL-Medienzentrums für Westfalen erzählt: So überließ Otto sein süddeutsches Erbe den Staufern und trug damit zu deren Aufstieg bei. Dafür wurde er Taufpate des vor 900 Jahren geborenen Staufer-Herzogssohns Friedrich III., der später als Kaiser Barbarossa die europäische Geschichte prägen sollte. Jener Friedrich Barbarossa schenkte Otto später seine Taufschale, die dieser als Stiftsprobst dem Kloster Cappenberg überließ – zusammen mit dem berühmten „Cappenberger Kopf“, der lange Zeit irrtümlich für ein Bildnis Barbarossas angesehen wurde. Allerdings sind die beiden kostbaren Schätze mittlerweile nicht mehr in Cappenberg, sondern im zweiten Barbarossa-Ausstellungsteil in Münster zu bewundern (s. S. XY). 


Ihnen gefällt, was Sie hier lesen. Mehr über Barbarossa finden Sie im Schwerpunkt des WESTFALENSPIEGEL 6/2022.


Rund 60 Exponate werden am historischen Ort des früheren Stifts Cappenberg präsentiert, darunter Gemälde, Waffen, Siegel und Urkunden wie die Handschrift, mit der Barbarossa die Privilegien des Stifts bestätigte. Ein besonders sehenswertes „Exponat“, das während der Ausstellungszeit extra geöffnet hat, ist die fast 900 Jahre alte romanische Stiftskirche gegenüber dem Cappenberger Schloss, die seinerzeit auf dem früheren Burgplatz errichtet wurde. Sie beherbergt unter anderem das Cappenberger Triumphkreuz (um 1200) und die eindrucksvollen Grabplatten der Stiftsgründer Gottfried und Otto.

Mythische Überhöhung Barbarossas

Auch die Rezeption des rotbärtigen Kaisers Friedrich I. im 19. und 20. Jahrhundert wird in der Ausstellung thematisiert: Deutsche Nationalisten stilisierten ihn zur Mythenfigur. So lehnte Julius Schnorr von Carolsfeld sein Gemälde „Der Tod Barbarossas“ von 1832 an Raffaels „Grablegung Christi“ an: Barbarossa soll auferstehen und das deutsche Volk erlösen. Das Bild dokumentiert die damalige Sehnsucht nach nationaler Einheit. Barbarossa sei „nationalistisch instrumentalisiert“ worden, sagt Ausstellungskurator Dr. Gerd Dethlefs und verweist unter anderem darauf, dass die Nationalsozialisten für den deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 den Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ verwendeten. Der mythischen Überhöhung Barbarossas stehen zwei Werke der Gegenwart gegenüber: das Gedicht über die „Deutsche Sch-Einheit“ (1992) von May Ayim und die Videoarbeit „flags“ (2011) von Johanna Reich. Beide Künstlerinnen beschäftigen sich kritisch mit Fragen nach Identitätsbildung, Grenzen und Grenzüberschreitungen.

Martin Zehren, wsp

„Das Vermächtnis von Cappenberg im Schloss Cappenberg, geöffnet Di. bis So. 10 bis 17.30 Uhr. Ebenfalls bis zum bis 5. Februar 2023 ist die Ausstellung „Die Kunst der Herrschaft“ im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zu sehen. Weitere Informationen hier.

Lesen Sie auch im Bereich "Kultur"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin