Ein Beispiel für „kleine Leute“: das Landstreicher-Paar Anton und Maria Micheel, hier auf einem Hof bei Warendorf, 1925. Foto: LWL/Archiv für Alltagskultur in Westfalen
07.06.2024

Das Leben der „kleinen Leute“

Ein neues Buch erzählt die spannenden Biografien von 72 Menschen aus einfachen Verhältnissen.

Der Straßenmusiker Klaus Reinhardt, besser bekannt als „Onkel Willi“, spielte jahrelang auf den Treppen vor dem historischen Rathaus von Münster und war ein stadtbekanntes Original. Seine musikalische Laufbahn begann er bereits als Schüler in Bielefeld, was seinen Eltern, insbesondere seinem Vater nicht sonderlich gefiel. Klaus Reinhardt gab dennoch seinen Beruf als Tontechniker zugunsten der Musik auf, reiste nach Indien und in die USA und zog 1978 nach Münster, wo er als Ein-Mann-Band mit verschiedenen Instrumenten auftrat. Seine Lebensgeschichte ist eine von 72 Kurzbiografien in der neuen Publikation „Kleine Leute in Westfalen. Leben in bescheidenen Verhältnissen“, die das Museumsamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) jetzt veröffentlicht hat.

Der neue Band erscheint in der Reihe „Biografien-Box“ (Ardey Verlag), mit der das Museumsamt die Sammlungen westfälischer Museen sichtbarer machen will, sagte Dr. Ulrike Gilhaus, ehemalige Leiterin des LWL-Museumsamts und eine der beiden Herausgeberinnen, bei der Buchvorstellung im Stadtmuseum Münster. Zu jedem der vorgestellten Menschen gibt es ein oder mehrere Objekte in Museumssammlungen. Von dem 2021 verstorbenen „Onkel Willi“ zum Beispiel befinden sich seine Instrumente und sein Outfit in den Sammlungen des LWL-Freilichtmuseums Detmold und des Stadtmuseums Münster.

Vom Bauern bis zur Kiosk-Besitzerin

Das LWL-Museumsamt für Westfalen hat die Publikation "Kleine Leute in Westfalen" veröffentlicht. Foto: Sauerland-Museum Arnsberg/Hedwig Schwarz/Heike Amthor/Ardey-Verlag

Das LWL-Museumsamt für Westfalen hat die Publikation „Kleine Leute in Westfalen“ veröffentlicht.
Foto: Sauerland-Museum Arnsberg/Hedwig Schwarz/Heike Amthor/Ardey-Verlag

Insgesamt 45 Autorinnen und Autoren porträtieren in dem Buch höchst unterschiedliche Menschen, die teils schon im 18. und 19. Jahrhundert gelebt haben, teils in der jüngeren Vergangenheit: Armenhausbewohnerinnen und Bergmänner, Bauern, Angestellte und Fußballer, ein Landstreicher-Paar, ein Puppenspieler, eine Kiosk-Besitzerin und eine Zwangsarbeiterin. Die Suche nach passenden Museumsobjekten und die Recherche der dazugehörigen Biografien sei sehr aufwendig gewesen, sagte die zweite Herausgeberin, Dr. Kirsten Bernhardt vom Museumsamt. „Die Biografien zeugen vom Lebenskampf sogenannter ‚Kleiner Leute‘, aber auch von Heiterkeit, Lebensfreude und Erfolg – und nicht selten vom Stolz auf ihre Lebensleistung“, betonte Dr. Ulrike Gilhaus.

Die Reihe „Biografien-Box. Ein Login zu westfälischen Museumssammlungen“ soll soziale Gruppen, Milieus und Berufsgruppen vorstellen, die den Kulturraum Westfalen geprägt haben und Spuren in öffentlichen Sammlungen hinterlassen haben. Der 2021 erschienene erste Band der Reihe widmet sich „Künstlerinnen und Künstlern in Westfalen“. Für folgende Bände sind Lebensgeschichten von Menschen beispielsweise aus Politik, Justiz und Verwaltung, Fotografinnen und Fotografen sowie Geistliche angedacht.

maz/wsp

Ulrike Gilhaus, Kirsten Bernhardt (Hg.): Kleine Leute in Westfalen. Leben in bescheidenen Verhältnissen (Biografien-Box. Ein Login zu westfälischen Museumssammlungen, Band 2). Ardey Verlag Münster 2024. 232 Seiten, 29,90 Euro

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich. Weitere Informationen zum Buch und Bestellmöglichkeit finden Sie hier 

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