Ruhrfestspielintendant Olaf Kröck. Foto: Oliver Mark/Ruhrfestsspiele
05.03.2025

„Das Ruhrgebiet ist extrem spannend“

Viel Publikum und ein anspruchsvolles Programm. Mit seiner Mischung aus „Poesie und Politik“ kommt Intendant Olaf Kröck bei den Ruhrfestspielen sehr gut an. Im Interview kündigt er spannende Kulturerlebnisse an.

Herr Kröck, da Sie ja viel Bestätigung für Ihr Konzept erhalten haben, nehme ich nicht an, dass Sie es radikal ändern, oder?
Nein, das ändert sich nicht. Weil ich glaube, dass Theater immer dann gut ist, wenn es sich mit der Gegenwart beschäftigt.

Das Publikum will also nicht – wie manchmal unterstellt wird – nur noch Unterhaltung?
Zumindest bei den Ruhrfestspielen wollen die Leute gehaltvolle Inhalte haben. Es darf nicht zu abstrakt werden, die Aufführungen müssen zugänglich bleiben. Dann lässt sich das Publikum auch auf komplexe Dinge ein. Wir haben in den vergangenen Jahren Stücke über den Ukraine-Krieg, über Folter und Polizeigewalt gezeigt. Andererseits brauchen wir auch positive und humorvolle Abende. Das finde ich auch politisch. Denn sonst verharrt man in einer Art Problem-Trance. Wir müssen auch mal Freude haben und lachen.

Sie haben schon vor der offiziellen Bekanntgabe des Programms zwei Stücke veröffentlicht. Darunter ist mit „Exit“ von der Gruppe „Circumstances“ ein Stück aus dem Bereich des zeitgenössischen Zirkus. Ist das ein Bekenntnis, dass hier weiterhin ein Schwerpunkt der Ruhrfestspiele liegt?
Letztes Jahr haben wir sogar mit zeitgenössischem Zirkus eröffnet. Das tun wir diesmal nicht, weil wir immer andere Akzente setzen wollen. Der Neue Zirkus ist eine tolle Kunstform, die mehrheitsfähig und dabei immer wieder herausfordernd ist. „Exit“ ist wirklich ein Meisterwerk, international schon gelaufen und ein echtes Familienstück.

Theatrales Gesamtkunstwerk von William Kentridge

Dazu kommt das neue Stück des südafrikanischen Universalkünstlers William Kentridge…
Kentridge wird dieses Jahr 70 und beschäftigt sich in „The Great Yes, The Great No“ mit Fluchtbiographien. Das Stück hat ein historisches Vorbild, ein Boot, auf dem expressionistische und surrealistische Künstlerinnen und Künstler geflohen sind. Also mehrheitlich weiße Menschen fliehen aus Europa nach Martinique. Und Kentridge überhöht diese Geschichte. Bei ihm stehen vor allem Schwarze, Darstellerinnen und Darsteller aus Südafrika auf der Bühne. William Kentridge ist so eine Art Gegenentwurf zu Elon Musk, der ja auch aus Südafrika stammt. Er reflektiert die Schuld aus der Zeit der Apartheid und der Kolonialherrschaft. Dazu kommt eine sehr ausdrucksstarke Musik. Um dieses große Stück zu zeigen, müssen wir erstmals während der Ruhrfestspiele vier Tage lang das große Haus schließen, weil der Aufbau aufwändig ist und viel Zeit braucht.

Verraten Sie uns noch ein Stück, auf dass Sie sich besonders freuen?
Ein Highlight wird das neue Tanzstück „Theatre of Dreams“ des israelischen Choreographen Hofesh Shechter. Das wurde am 7. Oktober 2023 geprobt, dem Tag des Überfalls auf Israel. Und etwas von diesem welterschütternden Ereignis ist in diesem Tanzstück wiederzufinden. Es war in Frankreich eins der erfolgreichsten Stücke des letzten Jahres, mit einem riesigen Ensemble, bildgewaltig und mit einem beeindruckenden tänzerischen Ausdruck. Es geht um Vernichtung und um Gemeinschaft, um den Tod und die Freude. Die Ruhrfestspiele gehören zu den Koproduzenten. 2025 kommen zudem eine ganze Menge renommierter Autorinnen und Autoren, Regisseurinnen und Regisseure nach Recklinghausen, Menschen, die sich mit dem Prozess der Demokratiezersetzung beschäftigen.

Dieser Beitrag ist in Heft 1/2025 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.

 

Ihr Vertrag wurde bis 2030 verlängert. Gibt das noch einmal neue Spielräume für Sie?
Absolut. Die Stadt Recklinghausen und der DGB haben deutlich gemacht, dass sie die Richtung unterstützen, in der wir arbeiten. Außerdem fühle ich mich hier sehr wohl und finde das Ruhrgebiet weiterhin einen extrem spannenden Ort, eines der größten – auch kulturellen – Ballungszentren in Deutschland. Hier gibt es so viele Künstlerinnen und Künstler, die sehr gute Arbeit machen. Außerdem ist das Ruhrgebiet ein Beleg für eine gute Integration und Inklusion, ein kulturelles Miteinander. Die Solidarität mag ein bisschen klischeehaft sein, aber hier gibt es sie noch. 

Interview: Stefan Keim

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