Das Atomium in Brüssel – eines der Wahrzeichen der Stadt. Foto: pixabay
08.05.2019

Der Europa-Erklärer

Europaabgeordneter, Brexit-Verhandler und Parlamentsfossil: Elmar Brok zählt zu den bekanntesten Europapolitikern. Seit 1980 ist der Westfale ununterbrochen Mitglied des Europäischen Parlaments in Brüssel. Zur EU-Wahl am 26. Mai tritt der 73-jährige Ostwestfale nicht mehr an.

Anekdoten und Legenden rund um Brok gibt es viele. Zum Beispiel, dass Helmut Kohl dessen Lebenslauf mit den Worten „geboren, verheiratet, Europäisches Parlament“ zusammengefasst haben soll. Dass Brok als einer der wenigen Menschen in der Lage sei, gleichzeitig zu telefonieren und eine Rede zu halten. Oder auch, dass er schon mal im Frühstücksfernsehen ein Interview im Morgenmantel gegeben habe. Elmar Brok ist eben immer im Dienst.

Tatsächlich zählt der CDU-Politiker zu den Vordenkern Europas. Er gilt als einer der am besten vernetzten Politiker mit gutem Draht zu einigen Regierungschefs. Seit Maastricht sei kein europäischer Vertrag ohne ihn zustande gekommen, würdigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kürzlich das Lebenswerk: „Elmar Broks wahrscheinlich größtes Verdienst ist es, dem Europäischen Parlament mit jeder Vertragsänderung zur heutigen Stärke verholfen zu haben. Seinem Wirken ist es zu verdanken, dass es sich zunehmend als demokratische Stimme der Europäer Gewicht verschafft.“

Elmar Brok.

Elmar Brok.

Seit einem halben Menschenleben vertritt Brok seine Heimat Ostwestfalen im Europäischen Parlament. Die Liste seiner Ämter ist lang: Er leitete viele Jahre den Auswärtigen Ausschuss, ist Brexit-Beauftragter der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Mitglied im EVP-Parteivorstand und im CDU-Bundesvorstand und führte außerdem zeitweise nebenher das Brüsseler Bertelsmann-Büro. Kritik an dieser Lobbytätigkeit perlte an Brok ab ebenso wie vor einigen Monaten eine Affäre um Reisekostenzuschüsse, die der Abgeordnete von Parlamentsbesuchern kassiert haben soll.

Geprägt von Helmut Kohl

Geprägt von der Politik Helmut Kohls, geht es Elmar Brok in Sachen Europa stets um grundsätzliche Werte. „Ich bin seit meiner Schülerzeit engagierter Europäer, weil ich damals schon überzeugt war, dass Frieden, Freiheit und auch unser Wohlstand nur gemeinsam gesichert werden können“, sagt Brok im Gespräch mit westfalenspiegel.de. „Europa hat uns trotz mancher noch bestehender Mängel an diese Ziele gebracht und die deutsche Einheit möglich gemacht. Noch nie zuvor in der Geschichte hatten wir eine solch lange Friedensphase wie heute.“

Kritik oder Desinteresse an Europa und an der kommenden Wahl kann Brok nur schwer nachvollziehen. Der Brexit habe als schlechtes Beispiel die wichtige Rolle der Union verdeutlicht und der europäischen Sache sogar einen Schub gegeben, sagt er: „Wir sehen heute in Umfragen, dass über 80 Prozent der Bevölkerung nicht aus der EU austreten wollen. Das ist bei aller Kritik ein hervorragender Wert.“

Das Engagement junger Menschen, wie in der „Pulse of Europe“-Bewegung, macht Brok Freude und Hoffnung. Demonstrationen wie die „Fridays for Future“ seien zu begrüßen, könnten aber auch nach Schulschluss und mit Augenmaß stattfinden, ist er überzeugt: „Der Regelbruch darf nicht genutzt werden, um gute Regeln durchzusetzen, das ist in einer Demokratie auch so möglich.“

Zwischen Bielefeld und Brüssel

Seit fast 40 Jahren pendelt der Parlamentarier zwischen Bielefeld, Brüssel und Straßburg. Montagsmorgens geht es mit dem Zug hin zum Parlamentssitz, Donnerstagabends zurück in die Heimat – wenn keine anderen Termine dazwischen kommen. Sein Einfluss, so ist zu lesen, reiche nicht umsonst von Aserbaidschan bis nach Washington. Am meisten Freude habe ihm aber die Arbeit in seinem Wahlkreis gemacht. „In der Heimat fühle ich mich wohl“, sagt Brok im Interview. Auch in zahlreichen Talkshows und Nachrichtensendungen war er ein ständiger Gast und immer bereit, die EU zu erklären, zu verteidigen und zu neuen Zielen anzutreiben. Ursprünglich wollte Brok noch eine Legislaturperiode als Mitglied der EVP-Fraktion im Parlament bestreiten. Nachdem ihm sein sicherer Listenplatz für die Wahl streitig gemacht wurde, entschied er sich Anfang des Jahres, nicht mehr anzutreten.

Er freue sich auf ein Leben, das weniger fremdbestimmt ist, merkt Brok an. Von Abschiedsstimmung will der 73-Jährige aber dennoch nichts wissen: „Ich bin bis zum 2. Juli Abgeordneter. Ich fülle dieses Amt aus und engagiere mich im Wahlkampf. Dafür muss man nicht selbst Kandidat sein. Wenn man Demokrat ist, dann macht man das unabhängig von der eigenen Person.“

wsp / Annette Kiehl

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