Der Ring, Romane und viel Humor
Die westfälischen Theater zeigen in der kommenden Saison einen Mix aus Neuem, Klassikern und Buchbearbeitungen.
Auf Godot muss man warten. Lange. Ob er jemals kommt, bleibt offen. Das Schauspielhaus Bochum hatte Samuel Becketts Klassiker des absurden Theaters bereits für Mai angekündigt. Nun soll „Warten auf Godot“ Anfang September seinen Weg auf die Bühne finden, in der Regie des für seine spektakulären und wuchtigen Inszenierungen bekannten Ulrich Rasche. Das Theater Paderborn ist ähnlich tollkühn und kündigt ebenfalls Godot an. Mal sehen, ob der rätselhafte Titelheld diesmal seine Termine einhält.
Klassiker haben weiterhin ihren Platz auf den Theaterspielplänen. Während das Theater Münster Shakespeare, Kleist und Arthur Miller ankündigt, hat die neue Intendantin des Wolfgang Borchert Theater in Münster eine radikale Neudeutung im Sinn. Tanja Weidner – bisher Chefdramaturgin und Regisseurin am notorisch erfolgreichen Hause – inszeniert zu Beginn einen „MetaFAUST“. Untertitel „Der Pakt mit der Zukunft“, als Autoren firmieren Johann Wolfgang von Goethe und ChatGPT 4. Mephistos Text könnte hier also von einer künstlichen Intelligenz stammen.
Doch der ganz große Trend sind weiterhin Romanbearbeitungen. Wohl weil es hier spannendere Geschichten zu finden gibt als in neuen Theaterstücken. Bochum zeigt „Frankenstein“ nach Mary Shelley und „Sturmhöhe“ nach Emily Brontë. Intendant Johan Simons inszeniert „Meine geniale Freundin“ von Elena Ferrante. In Bielefeld kommen „Der große Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald und „Wolf“ von Saša Stanišić auf die Bühne. Münster adaptiert den zu Recht gefeierten Familienroman „Unser Deutschlandmärchen“ von Dinçer Güçyeter.Und das Schauspiel Dortmund präsentiert die Theaterfassung der queeren Liebesgeschichte „Schwindel“ von Hengameh Yaghoobifarah. Die im Sommer erneut wegen fehlenden Publikums in die Kritik geratene Dortmunder Schauspielintendantin Julia Wissert hat sich für die kommende Spielzeit mehr Humor verordnet. „Wir wollen über die Komplexität der Welt lachen“, sagt sie. Was ja auch schon in „Das Kapital. Das Musical“ gut gelungen ist. Der Kapital-Regisseur Kieran Joel inszeniert in der neuen Saison einen Abend namens „Dantons Tod und Kants Beitrag“. Die Oper Dortmund zeigt in dieser Spielzeit den kompletten „Ring des Nibelungen“ in der Regie von Peter Konwitschny. Der Meister des Regietheaters hat Richard Wagner mit viel Ironie und überraschender Leichtigkeit auf die Bühne gebracht. Wer es noch heiterer möchte, kann in Dortmund Götz Alsmann mit Loriots „Ring an einem Abend“ erleben.
Musiktheater entdecken Komponistinnen
Im letzten Jahr gab es einen Trend, Komponistinnen auf der Opernbühne zu entdecken. Das Theater Hagen hat sogar eine Uraufführung in Auftrag gegeben, „American Mother“ von Charlotte Bray.In einem Gerichtsgebäude trifft die Mutter eines ermordeten Journalisten auf einen der Terroristen, die ihn entführt haben. Generalmusikdirektor Joseph Trafton verabschiedet sich mit diesem Stück aus Hagen, wo er dem Orchester und dem Theater viele Impulse gegeben hat. Das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen zeigt die vor drei Jahren uraufgeführte Oper „Innocence“ der finnischen Komponistin Kaija Saariaho. Da geht es um ein fiktives Massaker an einer Schule, gespiegelt in den Erinnerungen und Reflexionen der davon betroffenen Menschen. Einige seltene Repertoirestücke stehen ebenfalls auf den Spielplänen, zum Beispiel die wunderbare „Griechische Passion“ von Bohuslav Martinů in Bielefeld. Die neue Intendantin des Landestheaters Detmold, Kirsten Uttendorf, startet mit Puccinis Western-Oper „Das Mädchen aus dem goldenen Westen“, die auch nicht ständig zu hören ist.
Dieser Beitrag ist zuerst in Heft 4/2024 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.
Im Ballett geht die Erfolgsgeschichte des chinesischen Choreographen Xin Peng Wang in Dortmund langsam auf die Zielgerade. Er wird dem Haus aber verbunden bleiben und verlegt in seinem neuen Tanzabend die Liebesgeschichte „La Bayadère“ ins Hollywood der 1920er Jahre. In Münster choreographiert Lillian Stillwell mit Chor und Schlagzeug „Jeanne d´Arc“ fürs große Haus, während Felix Landerer in Bielefeld mit „Great Expectations“ nicht den Roman von Charles Dickens, sondern einen Tanzabend für Hoffnungen auf die Bühne bringt. Und auch Musicals werden in Westfalen Scharen in die Musiktheater locken. Dabei ist oft schwarzer Humor im Spiel. Gelsenkirchen zeigt den „kleinen Horrorladen“ und Dortmund die Geschichte des Killerbarbiers aus der Fleet Street. In „Sweeney Todd“ erlebt das Publikum wieder das Traumpaar Bettina Mönch auf der Bühne und Regisseur Gil Mehmert. Humor spielt eine große Rolle in den meisten Spielplänen, oft in abgründigen und satirischen Spielweisen. Ein Grund mehr, sich auf die neue Spielzeit zu freuen.
Stefan Keim
Ein Beitrag aus dem WESTFALENSPIEGEL 04/2024.