Samira Korves aus Münster gibt Schwimmkurse für Kinder. Foto: privat
31.05.2022

Der Traum vom Grundeinkommen

1200 Euro zusätzlich – für Samira Korves aus Münster ist das seit einem Jahr Realität. Sie bekommt das bedingungslose Grundeinkommen.

Korves ist Teilnehmerin des „Pilotprojekts Grundeinkommen“, ein bisher einmaliges zivilgesellschaftliches Forschungsprojekt zum bedingungslose Grundeinkommen. Es wurde gemeinsam vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und dem Verein „Mein Grundeinkommen“ ins Leben gerufen. Darin erhalten 120 Menschen, die per Zufallsprinzip ausgewählt wurden, über einen Zeitraum von drei Jahren 1200 Euro monatlich. Ohne jede Bedingungen. Die Teilnehmer müssen also keine Bedürftigkeit nachweisen und dürfen so viel hinzuverdienen, wie sie wollen. Dabei stammt das ausgeschüttete Geld ausschließlich aus Spenden.

Für Samira Korves kam die Nachricht im April 2021 überraschend, dass sie das Grundeinkommen erhalten wird. „Du bist dabei“, stand dort in der E-Mail. Die Münsteranerin wurde aus mehr als zwei Millionen Bewerbern ausgewählt. „Richtig begriffen und vor Augen gesehen habe ich das aber erst, als das erste Geld überwiesen wurde“, so Korves. Das ist ziemlich genau ein Jahr her. Denn zum 1. Juni 2021 startete das Projekt. Für Korves kam das Geld genau im richtigen Moment. Die 29-Jährige ist selbstständig. Sie hat in der Domstadt eine Schwimmschule und gibt weitere Sportkurse. Ihre Möglichkeiten, Geld zu verdienen, waren damals durch die Pandemie stark eingeschränkt.

„Man leistet sich schon etwas mehr“

Die zusätzliche und vor allem regelmäßige Finanzspritze gab ihr Sicherheit und zugleich die Möglichkeit, weiter an ihrer Zukunft zu planen. „Ich habe das Geld investiert, zum Beispiel in Ausrüstung und Material“, sagt sie im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Aber auch im privaten Bereich ist der finanzielle Spielraum größer. Mit ihrem Freund ist Korves zum Beispiel in eine größere Wohnung gezogen. Und ihr erstes Auto hat sie sich auch gekauft. Ihre Erfahrung nach dem ersten Jahr Grundeinkommen: „Man leistet sich schon etwas mehr.“

Ideengeber für das Projekt ist der Verein „Mein Grundeinkommen“. Seit 2014 hat der Verein schon mehr als 1000 finanzielle Zuschüsse verlost. Wer ausgelost wird, erhält – anders als in der aktuellen Studie – ein Jahr lang 1000 Euro pro Monat. Aus den Rückmeldungen der Verlosungsgewinner für das jährliche Grundeinkommen weiß Michael Bohmeyer, Gründer des Vereins, dass die Menschen sich mit Hilfe des zusätzlichen Geldes mehr Fragen stellen: Wie möchte ich leben? Was mache ich mit den Möglichkeiten, die mir das Grundeinkommen bietet? „Die Menschen fühlen sich selbstbestimmter, sie arbeiten motivierter, fühlen sich gesünder, zufriedener, souveräner“, so Bohmeyer. Daraus entstand die Idee zur gemeinsamen Studie mit dem DIW, in dem die Teilnehmer für drei Jahre 1200 Euro erhalten. Darin wollen die Initiatoren nun herausfinden, was das Grundeinkommen wirklich bewirken kann, was es der Gesellschaft bringen kann.

Erste Ergebnisse im Sommer 2023

Die Teilnehmer der Studie füllen dazu in regelmäßigen Abständen Fragebögen aus und werden zu Interviews eingeladen. Verglichen werden ihre Angaben mit einer Kontrollgruppe, die kein Grundeinkommen erhält, in der aber Menschen in vergleichbaren Lebenssituationen sind. Erste Ergebnisse der Studie werden im Sommer 2023 erwartet.

Korves ist dankbar für das geschenkte Geld. Sie kann sich vorstellen, dass es bei dem einen oder anderen auch viel Kreatives weckt, oder zu größerem sozialen Engagement führt. Was sie selbst in den kommenden zwei Jahren mit den zusätzlichen 1200 Euro pro Monat anfangen möchte, weiß sie noch nicht genau. „Ich bin jedenfalls kein Sparfuchs“, sagt sie und lacht. Neider hat es in ihrem Umfeld bisher nicht gegeben. Allerdings einige Mahner. „Denk dran, dass es in zwei Jahren auch wieder vorbei ist“, haben sie gesagt. Davor hat Samira Korves keine Angst. Es sei zwar schön, dass sie dabei ist. Aber: „Ich finde, dass Geld nicht das wichtigste ist“, sagt sie.

Jürgen Bröker, wsp

Mehr zum Verein „Mein Grundeinkommen“ erfahren Sie hier.

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