18.01.2024

Der Zeit voraus

Kirchliche Heimat für LGBTQ-Szene – und das bereits seit 25 Jahren. Die Queergemeinde in Münster feiert Jubiläum.

1999 feierten Gläubige in der St. Sebastian Gemeinde in Münster den ersten queeren Gottesdienst. Nach dem Motto „Bei uns sind alle willkommen“ öffnete der damalige Pfarrer der Gemeinde  Ludwig Gotthard die Türen seiner Kirche auch für queere, also für schwule, lesbische oder auch transsexuelle Menschen. Damals sollte der Gottesdienst eigentlich in einer kleineren Kapelle gefeiert werden, doch es kamen so viele Menschen, dass man kurzfristig auf die Kirche ausweichen musste, so das Bistum Münster.

Wie mutig der Schritt war, zeigt auch die Reaktion der damaligen Bistumsleitung: Nur ein Jahr nach Beginn der queeren Gottesdienste sprach sie ein Verbot für die Eucharistiefeier aus. Fortan gab es nur noch Wortgottesdienste, auf die für Katholiken so wichtige Eucharistie, bei der Brot und Wein als Symbol für den Leib und das Blut Christi geteilt werden, musste die Gemeinde verzichten. „Das hat so viele enttäuscht, dass die Hälfte der Gläubigen weggebrochen ist“, sagt Jan Baumann. Er war damals noch nicht dabei, kennt die Geschichte aber aus Erzählungen. Selbst engagiert sich der der 32-jährige seit 2018 in der Queergemeinde.

Akzeptanz für LGBTQ-Szene ist gestiegen

Aber einige der schwulen, lesbischen oder transsexuellen Gläubigen machten trotzdem weiter. „Sie haben sich nur fünf Monate an die Wortgottesdienste gehalten. Es fehlte ihnen einfach etwas und sie haben schnell Priester gefunden, die wieder mit ihnen die Eucharistie feierten“, sagt Baumann. Heute ist die queere Gemeinde im Bistum voll akzeptiert. An jedem zweiten Sonntag im Monat findet eine Messe statt, inzwischen in der Krypta der St.-Antonius-Kirche, mit wechselnden Priestern, darunter auch Münsters emeritierter Weihbischof Dieter Geerlings, so das Bistum.

Jan Baumann engagiert sich in der Queergemeinde in Münster. Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Jan Baumann engagiert sich in der Queergemeinde in Münster. Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann

Inzwischen sind queere Menschen von der Mehrheit der Gläubigen in Deutschland akzeptiert. Und auch die jüngste vatikanische Erlaubnis für Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zeigt, dass das Thema in der katholischen Kirche ernst genommen wird. Doch gleichberechtigt sind queere Menschen noch lange nicht. Denn die Segnung schwuler, lesbischer oder transsexueller Partner dürfe offiziell nur „wenige Sekunden“ dauern und nicht in einem Gottesdienst stattfinden, so die Vorschrift aus dem Vatikan. „Aus kirchlicher Sicht bleiben wir Menschen zweiter Klasse“, erklärt Baumann.

Inklusion weiter verbessern

Allerdings sieht er aber auch große Fortschritte und verweist auf die Initiativen „Out in church“ und „#liebegewinnt“ sowie die Diskussionen rund um den Synodalen Weg. „Diesen Schwung müssen wir mitnehmen“, fordert Baumann, um die Inklusion queerer Menschen weiter zu verbessern. Und es brauche die Gleichberechtigung für alle Menschen. Das beinhaltet Frauen, die Priesterinnen werden dürfen, queere Menschen, die die Weihe empfangen dürfen, und die freie Wahl der Lebensform für alle, so der Wunsch vieler in der Queergemeinde.

wsp

Die Queergemeinde Münster feiert ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Gottesdienst am Samstag, 20. Januar, um 15 Uhr in der Überwasserkirche und einem anschließenden Festakt für geladene Gäste.

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