Prof. Dr. Jörg Bogumil. Foto: RUB, Marquard
18.05.2022

„Die Lager müssen sich zusammenraufen“

Der Politikwissenschaftler Prof. Jörg Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum spricht im Interview über den Wahlsieg der CDU und die Chancen einer schwarz-grünen Regierung in NRW.

Herr Prof. Bogumil, CDU und Grüne feiern den Wahlsieg. Zu Recht?
Naja, die CDU hat insgesamt gesehen erheblich an Wählerstimmen verloren. Sie konnte nur deshalb prozentual zulegen, weil es eine sehr niedrige Wahlbeteiligung gab. Im Vergleich zu den anderen Parteien konnte die CDU jedoch noch am ehesten ihre Stammwähler motivieren, das Kreuzchen auf dem Wahlzettel zu machen.

Warum konnte sich die SPD nicht durchsetzen?
Für Oppositionsparteien ist es bei einer Wahl wichtig, eine Wechselstimmung zu erzeugen. Und das ist der SPD in NRW nicht gelungen. Die Landespolitik hat im Wahlkampf eine weniger große Rolle gespielt, als wir es bislang kannten. Bundespolitische Themen, wie zum Beispiel der Ukraine-Krieg, haben viel stärker die Agenda bestimmt. Darunter hat dann besonders die SPD gelitten, denn ihre Wähler waren mit dem wackeligen Ukraine-Kurs der Partei nicht zufrieden und sind am Wahltag eher zuhause geblieben. Die Grünen konnten hingegen von bundespolitischen Themen wie dem Ukraine-Krieg oder der Energiewende profitieren – und haben deutlich an Stimmen gewonnen.

Und die FDP ist mit ihrem geschrumpften Ergebnis wieder auf dem sprichwörtlichen Boden der Tatsachen angekommen?
Bei der Wahl vor fünf Jahren haben viele mit der Zweitstimme FDP gewählt, um ein schwarz-gelbes Bündnis zu ermöglichen. Diese Motivation hat nun nicht mehr getragen. Hinzu kam, dass die Unzufriedenheit mit der Schulpolitik die FDP einige Prozente gekostet hat. Die Corona-Politik hat speziell ältere Menschen ebenfalls nicht überzeugt. Die dann doch wieder CDU gewählt haben. 

Eine schwarz-grüne Regierungskoalition ist nun also gesetzt?
Keineswegs. Die Sondierungsgespräche werden nicht einfach werden. Sowohl was die Überzeugungen der grünen Basis angeht als auch der CDU. Diese Lager müssen sich zusammenraufen und eine gemeinsame Botschaft entwickeln. Wenn man auf die CDU-Politik in der NRW der vergangenen Jahre blickt, wird deutlich, dass das wird nicht ganz einfach wird. Der bisherige Kurs der Landesregierung hat sich durch eine starke Kohlefreundlichkeit und wenig Begeisterung für erneuerbare Energien ausgezeichnet. Wenn die CDU nun nicht dramatisch umdenkt, dann wird die Koalition nichts werden. Die Grünen werden keine großen Kompromisse machen. 

Gibt es Alternativen?
Nicht unbedingt. Eine Koalition der Wahlverlierer mit SPD und FDP hätte keine gute Außenwirkung. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die FDP bereit dazu wäre, in Sondierungsgespräche für eine Ampelregierung zu gehen. Insofern müssen CDU und Grüne es miteinander versuchen. Dass das funktioniert, ist aber allemal nicht sicher.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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