Verkehrslawinen wie hier (Symbolbild) rollen seit der Sperrung der Rahmedetalbrücke auf der A45 nahezu täglich über die Umleitungsstrecken durch Lüdenscheid. Foto: Rainer Sturm/pixelio.de
18.07.2022

„Die Not wird nicht ignoriert“

Seit Anfang Dezember ist die Rahmedetalbrücke auf der A45 bei Lüdenscheid gesperrt. Der Bürgermeister von Lüdenscheid, Sebastian Wagemeyer, ist gleichzeitig Brückenbeauftragter seiner Stadt. Ein Interview über die Situation seiner Stadt und der Region.

Herr Wagemeyer, wie geht es den Menschen in Ihrer Stadt? 
Nach wie vor ist es eine schwierige Situation. Da gibt es nichts zu beschönigen. Insbesondere die Menschen, die an der Umleitungsstrecke wohnen sind tagtäglich erheblichem Stress ausgesetzt. Der Bund hat inzwischen die Möglichkeit geschaffen, Lärmschutzfenster über das Bürgerbüro zu beantragen. Man kann nur jedem dazu raten, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen.

Welche Nachrichten erreichen Sie in Ihrer Funktion als „Brückenbauer“?
Es gibt ganz verschiedene Rückmeldungen. Zum einen sind dort die Anwohnerinnen und Anwohner an der Umleitungsstrecke, die Tag und Nacht unter dem Verkehrslärm leiden. Dann gibt es die Anwohner an den Anliegerstraßen, durch die teilweise die Fahrzeuge rasen, die bei uns und bei der Polizei um Unterstützung bitten. Es gibt die Unternehmer, die um ihre Existenz fürchten. Aber wir bekommen auch viele Anregungen und Ideen, die im Großen und im Kleinen dazu dienen, die Situation erträglicher zu machen.

Sebastian Wagemeyer Foto: Steffen Schulte-Lippern

Was hat sich bisher schon getan?
Es ist bereits eine ganze Menge passiert – natürlich fühlt sich das in dieser komplexen Ausnahmesituation immer zu wenig an. Wir alle lernen mit jeder Maßnahme dazu. Wir haben insbesondere im Bereich der Verkehrsführung immer wieder Dinge verändert und angepasst. Auch in Abstimmung mit unseren Partnern von Straßen.NRW und der Autobahn GmbH konnten wir kleinere und größere Verbesserungen erzielen. So wurden zum Beispiel Ampelschaltungen und die Verkehrsführung an den beiden betroffenen Ausfahrten angepasst. Es wurden neue Anliegerregelungen eingeführt, die Geschwindigkeit auf der Umleitungsstrecke reduziert und mehr Kontrollen von Ordnungsamt und Polizei durchgeführt. Die Autobahn GmbH hat die Sprengung der Brücke ausgeschrieben und auch die Ausschreibung für den Neubau ist in Vorbereitungen. Fakt ist aber: Es rollt immer noch zu viel Schwerlastverkehr durch unsere Stadt.

Wie intensiv ist der Austausch mit Bund und Land?
Der Austausch ist intensiv, besonders mit dem Bund. An vielen Stellen gibt es eine große Unterstützung. In einigen Bereichen gibt es aber erheblichen Nachholbedarf, etwa bei der Frage finanzieller Kompensation, zum Beispiel für die Mehrkosten, die der Stadt für den Erhalt ihrer Infrastruktur entstehen oder für Gewerbetreibende und Unternehmen, die Verluste durch die Sperrung erleiden.


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Die Wirtschaft der Region schlägt Alarm, weil sie kaum neue Mitarbeiter finden, sich Lieferzeiten verlängern und Kosten steigen – können Sie den Unternehmen Hoffnung machen? 
Nicht nur Unternehmen haben diese Schwierigkeiten. Wir merken das in ganz vielen Bereichen – zum Beispiel hier in der Verwaltung, im Gesundheitssystem oder in Schulen. Derzeit laufen Gespräche zu weiterer finanzieller Unterstützung. Da ist aus meiner Sicht noch großer Handlungsbedarf. Ich erwarte weitere Unterstützung für die Stadt und die Region. Wenn wir alle zusammenstehen und weiter auf unsere Situation aufmerksam machen, können wir uns Hoffnung machen, dass eine neue Brücke so schnell wie möglich Platz im Rahmedetal findet.

Im Raum stehen fünf Jahre, bis eine neue Brücke fertiggestellt ist. Der Wirtschaft ist das zu langsam.
Das ist nicht nur der Wirtschaft zu langsam, sondern allen Menschen in dieser Stadt und dieser Region, die wirklich Not leiden. Diese Not wird jedoch nicht ignoriert. Die Signale aus Land und Bund gehen eindeutig dahin, dass in einer für Deutschland rekordverdächtigen Zeit eine neue Brücke entstehen soll.

Interview: Jürgen Bröker/wsp

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