Die Sorge wächst
Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges schwindet die Hoffnung auf baldigen Frieden. Die Sorge um die Menschen in der Heimat wächst auch bei den Ukrainern in Westfalen.
Als die russische Armee am 24. Februar die Ukraine angegriffen hat, stand die Welt unter Schock. Gleichzeitig löste der Angriff eine Welle der Solidarität aus. Die Spendenbereitschaft in der Region war enorm, Flüchtlinge wurden aufgenommen, blau-gelbe Fahnen herausgehängt. Mariya Sharko macht sich nun große Sorgen, dass der Krieg in Vergessenheit gerät: „Die Menschen hier in Deutschland und anderswo haben sich an den Krieg gewöhnt. Die Solidarität schwindet.“
Ein sichtbares Zeichen dafür sei, dass die anfangs zahlreichen blau-gelben Fahnen in der Öffentlichkeit immer seltener zu sehen sind. Selbst an Rathäusern seien die Fahnen abgenommen worden. „Auch die Medien berichten weniger über den Krieg und die Folgen für die Menschen“, so Sharko. Die Spenden- und Hilfsbereitschaft sei zwar nicht mehr so groß wie zu Beginn der russischen Invasion. „Aber wenn wir um Spenden bitten, helfen die Menschen immer noch“, sagt sie.
500 Menschen bei Demonstration
Um den Krieg wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, hat sie am vergangenen Mittwoch (24.08.) in Münster eine Demonstration organisiert. Mehr als 500 Menschen gingen am Unabhängigkeitstag der Ukraine auf die Straße. „Das ist für uns Ukrainer ein besondere Tag“, sagt Sharko. In diesem Jahr war er mit großen Sorgen verbunden. Viele hatten Angst, dass in der Heimat ein Großangriff der Russen erfolgen könnte.
Sharko kam 2005 aus der Ukraine nach Deutschland, um hier zu studieren. Inzwischen lebt sie mit ihrer Familie, ihrem Mann und drei kleinen Kindern in Altenberge nahe Münster. Zu Beginn des Krieges hat sie Hilfskonvois organisiert. Außerdem engagiert sie sich beim Bistum Münster in der Fachstelle Weltkirche für die Anliegen der Ukraine. Sie hat engen Kontakt zu den Menschen in ihrer Heimat. Auch mit zahlreichen Geflüchteten, die nun in Deutschland leben, steht sie in Kontakt. „Vielen geht es sehr schlecht. Die ständigen schlechten Nachrichten aus der Heimat nehmen ihnen die Hoffnung, bald zurückkehren zu können“, sagt Sharko.
Hoffnung auf schnellen Frieden schwindet
Vor dem Winter wachsen die Sorgen weiter. Können die Menschen in der Heimat heizen? Oder dreht Putin der Ukraine das Gas ab? Wie wird es den vielen Soldaten im Winter ergehen? Sharko wünscht sich eine schnelle Lösung des Konflikts, große Hoffnung, dass diese tatsächlich gefunden wird, hat sie aber nicht. „Nur wenn Putin gestoppt wird, kann es eine Lösung geben“, sagt sie. Die Nachrichten, die sie aus den von Russland besetzten Gebieten erreichen, lassen ihre Hoffnung weiter schwinden. „Dort wird die ukrainische Sprache verboten. Schulen müssen nach dem russischen Bildungssystem unterrichten. Wir erleben dort einen Genozid des ukrainischen Volkes und der ukrainischen Kultur“, sagt sie.
Jürgen Bröker/wsp
Wie man den Menschen in der Ukraine helfen kann, zeigen unter anderem die Internetseiten des Bistums Münster.