
Die Stimme aus Moskau
Ina Ruck berichtet seit 1995 aus Russland – nun von Köln aus.
Ein vertrauter Anblick aus den Nachrichten: Die Korrespondentin Ina Ruck spricht vor einem Fenster des Moskauer ARD-Studios ins Mikrofon, im Hintergrund ist der Hauptsitz der russischen Regierung zu sehen, das Moskauer „Weiße Haus“. Seit 1995 berichtet die WDR-Journalistin bereits aus Russland und weiteren Staaten der ehemaligen Sowjetunion, immer mal wieder unterbrochen von anderen Auslandseinsätzen wie in den USA. Ihre Arbeit in Russland sei zuletzt immer schwieriger geworden, sagt sie im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL.
Nur noch wenige deutsche Medien sind in der russischen Hauptstadt permanent vor Ort. Die 1962 in Unna geborene Ina Ruck gehört dort zu den erfahrensten Korrespondentinnen. „Ich war als Studentin in den 80ern das erste Mal in der Sowjetunion – und habe später ihr Ende hautnah miterlebt, als Jelzin beim Putsch auf den Panzer stieg, um kurz darauf selbst die Macht zu übernehmen“, blickt Ina Ruck zurück. Die Journalistin hatte in Russland lange Zeit gute Bedingungen für ihre Arbeit: „Die Menschen hatten ein großes Interesse zu erzählen, in den 1990er Jahren herrschte Aufbruchstimmung. Ich wurde eingeladen und konnte Home-Storys drehen. Bis zur Annektion der Krim ist diese Offenheit uns gegenüber geblieben. Seit dem Einmarsch Russlands 2022 in die Ukraine ist so etwas unmöglich.“ Inzwischen kommt sie nur noch schwer mit den Menschen ins Gespräch. „Wir Europäer gelten ja mittlerweile als Angehörige sogenannter unfreundlicher Staaten. Die Leute sind durch die Propaganda immer misstrauischer geworden in den letzten zehn Jahren. Russische Experten sagen uns, dass sie es sich nicht mehr erlauben können, von uns zitiert zu werden.“ Selbst manche ihrer persönlichen Freundschaften seien über den Krieg zerbrochen, fügt Ina Ruck hinzu: „Ich stehe fassungslos davor, wie man ein ganzes Volk derartig manipulieren kann.“

Für ihre Arbeit als Korrespondentin wurde Ina Ruck bereits vielfach ausgezeichnet. Nun kehrt sie nach Köln zurück und berichtet nur noch punktuell aus Russland. Foto / Screenshot: WDR
Zwar gibt es in Russland durchaus auch regimekritische Stimmen, aber die kann Ina Ruck in ihren Beiträgen nur noch stark eingeschränkt zu Wort kommen lassen. „Bei unseren Drehs werden wir beobachtet, manchmal sogar beschattet. Und die Menschen, die bereit sind, mit uns zu reden, sind potenziell stark gefährdet.“ Auch „unangenehme Situationen“ hat sie mittlerweile mehrere erlebt, zum Beispiel bei der Ein- und Ausreise, wo sie oft festgehalten und befragt wurde. Ina Ruck hat in Russland über die Jahre viele Freundschaften geschlossen und das Land und seine Natur lieben gelernt. Sie schwärmt vom Canyon des Flusses Lena und von der Halbinsel Kamtschatka und ihren Vulkanen. Für ihre Beiträge ist sie viel gereist, unter anderem hat sie eine russische Polarstation besucht und mit dem Forschungsteam Weihnachten gefeiert.
Dieser Beitrag ist in Heft 6/2024 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.
Dass sie in Russland arbeitet, sei kein Zufall: „In Unna gab es das Durchgangslager Unna-Massen für Spätaussiedler aus der Sowjetunion. Ich habe Russisch in der Schule gelernt und fand die Sprache ganz toll. Schon sehr früh wollte ich Journalistin werden und nach Moskau als Korrespondentin gehen“, erklärt Ina Ruck. Bevor sie sich ihren Traum erfüllte, studierte sie unter anderem in Münster und in Moskau, volontierte beim NDR, wechselte zum WDR und ging schließlich mit Mitte 30 erstmals als Berichterstatterin nach Russland. „Lauter glückliche Fügungen“, sagt sie heute. In ihrer Geburtsstadt Unna hat sie noch Freundinnen aus der Schulzeit und Familienangehörige. „Und wenn ich jemanden westfälisch reden höre, ist das für mich Heimat. Wenn jemand Hümmelken zu einem kleinen Schälmesser sagt, hat er bei mir schon gewonnen“, sagt Ina Ruck lachend. Und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Köln ist für mich schon Ausland.“ Und dennoch geht es für sie wohl beruflich zum neuen Jahr nach Köln zurück, so zumindest die Planung. Über Osteuropa wird sie aber weiterhin berichten, wahrscheinlich auch über Russland. „Es braucht Chronisten, es braucht Zeitzeugen, die über Russland informieren. Und es braucht Stimmen für diejenigen in Russland, die anders denken. Damit sie wissen, dass sie noch gesehen werden.“
Martin Zehren