Marcus Stahl (l.) und Patric Faßbender haben das Kinderhörspiel mit ihren Tones neu erfunden. Foto: Boxen GmbH
31.10.2019

Die Tonie-Welle rollt

Zwei Väter haben das Kinderhörspiel neu erfunden. Einer von ihnen ist Marcus Stahl aus Krombach im Siegerland. Der WESTFALENSPIEGEL hat die jungen Unternehmer in ihrer Zentrale besucht.

Ein einfaches rotes Schild mit dem Firmennamen „Boxine GmbH“ und der knappe Hinweis „Hinterhof links“: Nichts deutet darauf hin, dass hier ein Unternehmen sitzt, dass gerade den Markt für Kinderhörspiele revolutioniert – dank der Erfindung der „Tonies“. 

Tonies sind bunte Spielfiguren mit digitalem Kern. Wenn man sie auf die würfelförmige „Toniebox“ stellt, spielt das Gerät die zugehörigen Hörspiele oder Kinderlieder ab. In vielen Kinderzimmern laufen die mehrfach preisgekrönten Tonies den CDs und Kassetten den Rang ab. Man findet sie in Buch- und Spielwarenläden oder in den Elektronikmärkten. Mehr als eine Million Tonieboxen und 8,5 Millionen Tonie-Figuren hat Boxine bereits verkauft. Der Jahresumsatz 2018 lag bei 60 Millionen Euro, Tendenz stark steigend. 

Weicher Würfel zum Abspielen

Die Geschichte dieses außergewöhnlichen Start-ups beginnt in einer Düsseldorfer Kindertagesstätte. Hier lernt Marcus Stahl aus Krombach im Siegerland, Elektrotechnikingenieur, Manager und zweifacher Vater, den Grafikdesigner Patric Faßbender kennen. Der hat ebenfalls zwei Kinder – und ist der Vater einer Produktidee, die auch Marcus Stahl fasziniert. 

Diese Boxen haben das Kinderhörspiel revolutioniert. Auf den Figuren sind bestimmte Hörspiele gespeichert. Foto: Boxen GmbH

Diese Boxen haben das Kinderhörspiel revolutioniert. Auf den Figuren sind bestimmte Hörspiele gespeichert. Foto: Boxen GmbH

Faßbender, als Kind mit Hörspielkassetten aufgewachsen, die auf Dauer leierten, ärgert sich immer wieder über die zerkratzen Hörspiel-CDs seiner drei und fünf Jahre alten Kinder. „Es gab für sie kein angemessenes Abspielgerät. Ich wollte ihnen auch kein Smartphone oder Tablet in die Hand drücken. Da habe ich beschlossen, selber etwas für sie zu entwickeln.“ Seine Idee: Zum Abspielen dient ein weicher Würfel mit einfachsten Funktionen, die Tonträger sind robuste, liebevoll gestaltete Spielfiguren. Für das Technik- und Finanz-Knowhow holt er Marcus Stahl ins Boot. Die beiden kündigen ihre Jobs, leihen sich bei Freunden Geld und gründen 2013 in Düsseldorf das Unternehmen Boxine.

Im Herbst 2016 kommen die ersten Tonieboxen und -figuren in den Handel und sind schnell ein Erfolg. In Kitas, auf Spielplätzen, in den sozialen Medien spricht sich das neue Produkt herum und ist bald vielerorts ausverkauft. Und das, obwohl die Tonie-Hörspiele etwas teurer sind als die gängigen CDs. Mittlerweile gibt es rund 200 Figuren, von Klassikern wie Jim Knopf, Heidi und Wickie bis zu jüngeren Kinderstars wie Dr. Brumm und Bummelkasten. Hinzu kommen die „Kreativ-Tonies“, die mit eigenen Inhalten bespielt werden können.

140 Mitarbeiter arbeiten an den Tonies

Manche Kinderlieder-Tonies haben sechsstellige Verkaufszahlen erreicht, freut sich Faßbender, andere werden zu erhöhten Preisen als Sammlerstücke gehandelt. Die Fangemeinde ist kreativ: Onlineportale zeigen selbst gebastelte Schutzhüllen und Taschen für die Boxen, zudem kursieren Erklärvideos, wie man aus den Tonies die NFC-Chips zur Datenübertragung ausbauen und in andere Figuren einsetzen kann.

Das Unternehmen mit seinen schon 140 Mitarbeitern will weiter wachsen, auch international, und hat dafür jetzt neue Gesellschafter gewonnen: die Münchner Industrieholding Armira und Mitinvestoren wie die Familie Strüngmann, die Gründer des Pharmaunternehmens Hexal. Seit kurzem gibt es auch englischsprachige Tonies in Großbritannien und Irland. Mit dabei: der Grüffelo und der „Kleine Prinz“.   

Martin Zehren

Dieser Beitrag erschien in Heft 5/2019 des WESTFALENSPIEGEL. Hier geht es zur Inhaltsübersicht.

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