Begehrtes Diebesgut in der Region: Kartoffeln. Foto: Pixabay
06.10.2022

Diebstahl vom Feld nimmt zu

Landwirte berichten vermehrt, dass ihnen Kartoffeln, Kürbisse oder Obst von Feldern und Bäumen gestohlen werden. Möglicherweise sind die gestiegenen Preise in den Supermärkten ein Grund für diese Entwicklung.

Landwirt Hans-Heinrich Wortmann baut in seinem Betrieb in Kamen-Methler unter anderem Kartoffeln an. Auf rund 40 Hektar wachsen die „Erdäpfel“ auf seinen Feldern. „Es kam auch in früheren Jahren immer mal wieder vor, dass man mir Kartoffeln von den Feldern gestohlen hat, aber in diesem Jahr ist es deutlich mehr“, sagt der 62-Jährige. Wenn er auf seine Äcker kommt, sieht er zunehmend frei gebuddelte Stellen, die auch schon mal fünf oder sechs Quadratmeter umfassen.

Eine Beobachtung, die auch die Berater der Landwirtschaftskammer NRW teilen, so ein Sprecher gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Es gebe zwar keine Statistik zu den Diebstählen auf den Feldern, aber in Gesprächen mit den Landwirten werde deutlich, dass deren Zahl zugenommen habe. Gestohlen werde vor allem in der Nähe von Ballungsräumen oder entlang größerer Straßen, so die Beobachtung. Das gilt übrigens nicht nur für Kartoffeln. Auch Kürbisse oder Obst von Bäumen werden geklaut. Zu den Gründen könne nur spekuliert werden, so der Sprecher weiter: Möglicherweise treiben die hohen Lebensmittel- und Energiepreise die Menschen dazu, Feldfrüchte zu stehlen.

Ein Unrechtsbewusstsein fehlt meist völlig

Manche Landwirte stellen Schilder auf, um vor einem Diebstahl zu warnen. Viel mehr können sie nicht unternehmen. Das Einzäunen seiner Felder komme jedenfalls nicht in Frage, sagt Wortmann. Zu aufwendig, zu teuer. Nicht selten erwischen die Landwirte die Diebe auf frischer Tat. Wortmann stellt sie dann zur Rede, bietet an, dass die Menschen die geklauten Feldfrüchte bezahlen können. Meistens hört er dann Sätze wie: „Das Feld ist doch so groß.“ Oder: „Sie haben doch so viele Kartoffeln.“ Und: „Die liegen hier doch sowieso nur herum.“ Ein Unrechtsbewusstsein fehlt meist völlig. Und dass er die Feldfrüchte das ganze Jahr versorgt und gepflegt hat, damit sie wachsen können, sehen die Räuber nicht.

Wortmann hat festgestellt, dass einige Diebe auch immer dreister werden. So werde am helllichten Tag gestohlen, erzählt er. Erst kürzlich habe die Polizei auf seinem Hof gestanden und nach einem gemeldeten Kartoffel-Klau die gestohlenen Feldfrüchte wieder vorbei gebracht. Ob er den Mann, den man beim Diebstahl erwischt habe, anzeigen wolle, hätten ihn die Beamten gefragt. „Das wollte ich aber nicht“, so Wortmann.

Dennoch, wer Feldfrüchte, Obst und Gemüse von fremden Grundstücken mitnimmt, macht sich strafbar, erklärt auch der Sprecher der Landwirtschaftskammer. Auch herabgefallene Äpfel oder Birnen darf man nicht einfach einsammeln. Denn grundsätzlich gilt: Obst, das am Baum hängt, gehört immer dem, dem der Baum gehört. Obst, das auf dem Boden liegt, gehört dem, dem der Grund gehört.

Kommunen erlauben die Ernte

Anders verhält sich das in manchen Städten. Sie bieten an, dass Obst, das auf städtischen Flächen wächst, von Bürgerinnen und Bürgern gepflückt werden darf. In Münster sind grundsätzlich alle Straßenbäume auf öffentlichem Grund zum Selbstpflücken freigegeben. In Recklinghausen gibt es mehrere Flächen mit Obstwiesen, auf denen sich Bürger legal bei Äpfeln und Birnen bedienen dürfen. Auch Esskastanien, Walnüsse, Haselnüsse oder Brombeeren gibt es dort. „In allen Fällen weist die Verwaltung allerdings darauf hin, dass sich das Pflücken und Aufsammeln auf den Eigenbedarf beschränken, also in haushaltsüblichen Mengen erfolgen sollte“, so ein Sprecher der Stadt Recklinghausen.

Und in Bielefeld gibt es die „Stadtfrüchte“. Birnen, Äpfel, Hollunder, Pflaumen und vor allem Baumhaselnüsse dürfen von den Bielefeldern an mehr als 3000 Standorten in der Stadt geerntet und eingesammelt werden. Es gibt sogar eine Übersichtskarte auf der Website der Stadt Bielefeld, auf der man die entsprechenden Bäume und Sträucher finden kann. „Man darf sich aber jetzt keine großen Obstplantagen oder -wiesen vorstellen. Meistens sind das Einzelbäume“, erklärt Michaela Hagmeister vom zuständigen Umweltamt in Bielefeld.

Auch Landwirt Wortmann erlaubt unter bestimmten Bedingungen das Einsammeln von Kartoffeln. „Wenn wir die Felder abgeerntet haben, dürfen die Bürger gerne die Früchte einsammeln, die es nicht auf den Hänger geschafft haben“, sagt er. So halten es viele Bauern. Die Landwirtschaftskammer rät Kartoffelsammlern aber dennoch dazu, vorher auf jeden Fall den Kontakt zum Landwirt zu suchen, um nach der Erlaubnis zu fragen.

Jürgen Bröker/wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft, Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin