Die Solarstromanlage auf dem Dach der LWL-Klinik Münster, bestehend aus 295 Modulen auf dem Dach des Neubaus. Foto: LWL
24.11.2021

„Dieses Ziel ist sehr ambitioniert“

Klimaneutralität ist eines der aktuellsten Themen für Kommunen, Vereine und Verbände. Zahlreiche Zielmarken sind gesetzt. So will der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bis 2030 klimaneutral werden. LWL-Direktor Matthias Löb erläutert im Interview, wie das gelingen soll.

Herr Löb, der LWL will bis 2030 klimaneutral werden. Was bedeutet das für den Verband? 
Gegenüber 1990 hat der LWL im eigenen Gebäudebestand bereits über 62 Prozent der Treibhausgasemissionen eingespart. Aktuell wird ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet, das auch klimaschädliche Effekte außerhalb der direkten Verbrennung fossiler Energien mit in den Blick nimmt. Hierbei hat der LWL die Klimaneutralität bis 2030 als Hauptziel formuliert. Klar ist: Trotz der bisherigen Einsparungen ist dieses Ziel sehr ambitioniert.

Wie fällt die aktuelle Klimabilanz des LWL aus?
Im Rahmen der Erarbeitung des integrierten Klimaschutzkonzeptes wird erstmalig eine Gesamt-Treibhausgasbilanz erstellt. Hierbei bewerten wir nicht nur die Emissionen aus dem Energieverbrauch unserer Gebäude, der Beschaffung von Produkten, der Abfallentsorgung und der Kantinenbewirtung, sondern auch im Bereich Mobilität unter anderem die Emissionen für den LWL-Fuhrpark sowie für Schüler:innenspezialverkehre. Allein für die Beförderung der LWL-Förderschüler:innen werden jährlich über 14 Millionen Kilometer mit einem ökologischen „Rucksack“ von etwa 3400 Tonnen CO2 zurückgelegt.

LWL-Direktor Matthias Löb. Foto: Julia Cawley

LWL-Direktor Matthias Löb. Foto: Julia Cawley

Wie viel CO2 muss also eingespart werden? 
Um Klimaneutralität zu erreichen, muss der LWL rund 64.000 Tonnen CO2 einsparen – das sind unsere jährlichen Treibhausgas-Emissionen auf Basis einer ersten Bilanzierung. Das entspricht in etwa dem CO2-Fußabdruck einer Gemeinde mit 6660 Einwohner:innen. Diese Emissionen sollen bis 2030 soweit wie möglich reduziert werden. Es wird aber bis 2030 ein „Sockel“ an nicht vermeidbaren Emissionen bestehen bleiben, für die wir andere Lösungen finden müssen.

Mit welchen konkreten Maßnahmen soll das Ziel erreicht werden?
Das integrierte Klimaschutzkonzept dient als Basis für die Entwicklung einer Gesamtstrategie für den Klimaschutz beim LWL. Aktuell befinden wir uns in der finalen Abstimmung eines umfangreichen Maßnahmenkatalogs. Um vorweg einige Beispiele zu nennen: In den nächsten Tagen wird eine LWL-Gebäudeleitlinie 2030 mit Grundlagen für den nachhaltigen Bau und Betrieb von Gebäuden in unseren Ausschüssen politisch diskutiert. Auch im Bereich Mobilität sind wir bereits mit großen Schritten vorangegangen und haben im Rahmen eines Förderprojekts des Landes NRW ein Konzept zum nachhaltigen betrieblichen Mobilitätsmanagement aufgestellt. So werden wir zum Beispiel in den nächsten Jahren einen Großteil unserer Dienstwagenflotte auf Elektromobilität umstellen. Auch setzen wir auf die Potenziale der Verkehrsvermeidung, die sich aus der Digitalisierung und Nutzung von Videokonferenzen ergeben.

Welche Schritte sind außerdem eingeleitet worden?

Eine Ladestation für E-Autos auf dem Gelände des LWL. Foto: LWL

Eine Ladestation für E-Autos auf dem Gelände des LWL. Foto: LWL

Bereits seit Anfang 2021 beschäftigen wir uns mit der Erarbeitung des integrierten Klimaschutzkonzepts. Hierfür wurden zwei Klimaschutzmanager:innen – gefördert über die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) – eingestellt, die das Projekt in Zusammenarbeit mit einem externen Beratungsunternehmen tatkräftig vorangetrieben haben. Alleine das Aufstellen einer umfassenden Treibhausgas-Bilanz ist bei einem großen und vielschichtigen Verband wie dem LWL eine Herausforderung. Unser Ziel ist es, das integrierte Klimaschutzkonzept im ersten Halbjahr 2022 politisch zu verabschieden. Beim Thema Mobilität haben wir bereits konkrete Umsetzungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. So ist gerade der erste Ladepark für E-Fahrzeuge für unsere Fahrzeugflotte der Hauptverwaltung im Aufbau, ebenso wie die Ladeinfrastruktur für Mitarbeitende und Besucher:innen.

In welchen Bereichen liegen die größten Einsparpotenziale?
Die größten Einsparpotentiale stecken noch immer in unseren etwa 1400 Gebäuden. Durch gezielte energetische Sanierungsmaßnahmen sowie die weitere Umstellung der Wärmeversorgung auf klimaschonende Technologien wie zum Beispiel Geothermie und Biomasse können wir jährlich zusätzlich viele Tonnen CO2 einsparen. Im Beschaffungsbereich hat sich beispielsweise gezeigt, dass vor allem die in unseren Gesundheitseinrichtungen verwendeten Reinigungsmittel klimaschädlich produziert werden. Die Umstellung auf nachhaltigere Produkte wird hier einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Was wird es kosten, das Ziel Klimaneutralität zu erreichen?
Das lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht seriös sagen. Ziel ist es, mit der Fertigstellung des integrierten Klimaschutzkonzeptes auch zu den finanziellen Auswirkungen fundierte Aussagen treffen zu können. Wir werden darauf achten, dass jeder Euro, den wir für Klimaschutz investieren, einen möglichst hohen Nutzen für das Klima entfaltet. Viele, zu Anfang teurere Investitionen in den Klimaschutz rentieren sich mittel- bis langfristig. Zudem gibt es auf Bundes- und Landesebene umfangreiche Förderprogramme für Klimaschutzmaßnahmen. Diese Möglichkeiten wollen wir weiterhin nutzen, denn als Umlageverband haben wir eine hohe Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedskörperschaften.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Neben der Finanzierung der im integrierten Klimaschutzkonzept entwickelten Projekte ist das sicherlich der zeitliche Rahmen. Wir werden bis 2030 nicht alle Gebäude energetisch sanieren können. Auch die Dekarbonisierung der Energieversorgung wird uns noch eine längere Zeit begleiten.

Werden Kompensationsmodelle eine Rolle spielen?
Ja, auf jeden Fall. Für die dann noch bestehenden, nicht vermeidbaren Emissionen werden im integrierten Klimaschutzkonzept Ansätze zum bilanziellen Ausgleich vorgeschlagen. Ganz konkret wollen wir erneuerbare Energien auch über unseren Eigenverbrauch hinaus erzeugen oder uns an solchen Anlagen beteiligen. Ein weiterer Weg wäre zum Beispiel die Aufwertung von Wäldern als CO2-Senken. Aufgabe wird es sein, die gängigen Kompensationsmodelle zu bewerten, mit neuen Ideen weiterzuentwickeln und dabei den richtigen Ansatz für den LWL zu finden.

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Sehen Sie den LWL als Vorreiter auf diesem Themenfeld zum Beispiel auch für Kommunen?
Die Aufgabenstellungen sind nicht ganz vergleichbar: Viele Kommunen haben bereits selbst Klimaschutzkonzepte und -strategien erarbeitet oder sind gerade dabei. Im Unterschied zum LWL werden dabei aber auch Emissionen der privaten Haushalte oder der Gewerbetreibenden mit in den Blick genommen. Wir konzentrieren uns dagegen auf unsere eigene Organisation. Und da sage ich mal ganz selbstbewusst: Mit den bis heute erreichten Einsparungen und der neuen Zielsetzung „Klimaneutralität 2030“ dürften wir durchaus im oberen Zehntel der Kommunalverwaltungen liegen. Wir wollen auf unserem weiteren Weg eng mit unseren Mitgliedern, den Kreisen und kreisfreien Städten in Westfalen-Lippe, zusammenarbeiten. Mit unseren LWL-Einrichtungen können wir uns in die Klimaschutzkonzepte vor Ort sehr gut einbringen und miteinander viel bewegen. Zudem sind sicherlich interessante und vielversprechende Kooperationsprojekte auf dem Feld der Kompensation von Treibhausgasen denkbar, beispielsweise im Bereich der Windenergie oder Photovoltaik. Bis zur Zielerreichung haben wir noch viel zu tun – und ich bin sicher: Wir werden uns 2030 nicht auf dem dann Erreichten ausruhen.

Die Fragen stellte: Jürgen Bröker/wsp

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