Direkte Demokratie als „Erfolgsgeschichte“
Der Erhalt von Hallenbädern und Schulen, aber auch Grünflächen stand in zahlreichen der 2022 in Westfalen eingeleiteten Bürgerbegehren im Mittelpunkt. Immer häufiger geht es bei den Verfahren auch um den Klimaschutz.
Insgesamt 14 Verfahren sind im vergangenen Jahr in Westfalen auf den Weg gebracht worden – das ist knapp die Hälfte der landesweiten Bürgerbegehren. So ging es in Herten etwa darum, ob eine Grünfläche einem Feuerwehrneubau weichen soll oder nicht. In Welver (Kreis Soest) wollte eine Initative erreichen, dass eine Grundschule am aktuellen Standort erhalten und erweitert werden soll. Beide Verfahren sind – wie fünf weitere in Westfalen – noch nicht abgeschlossen. Unzulässig waren vier Verfahren, darunter auch eine Abstimmung für den Erhalt und die Sanierung des Lübbecker und Rahdener Krankenhauses im Kreis Minden-Lübbecke. Zwei Verfahren sind gescheitert und eines war erfolgreich. Hierbei wurde in Herne ein Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Hallenbades eingeleitet. Allerdings kam es nicht zur Abstimmung, da der Gemeinderat zuvor bereits einen Beschluss vorgelegt hatte.
„Die direkte Demokratie hat sich in Nordrhein-Westfalen als anhaltende Erfolgsgeschichte erwiesen! Anstatt sich über die Politik zu ärgern und bloß schmollend zuzuschauen, werden Menschen mithilfe von Bürgerbegehren selbst aktiv – und nicht selten bleiben sie im Anschluss auch langfristig kommunalpolitisch engagiert“, so Achim Wölfel, Geschäftsführer des Landesverbands NRW von Mehr Demokratie. Die Praxis der Bürgerbegehren feiert im kommenden Jahr in NRW ihr 30-jähriges Bestehen.
1994 wurde das erste Bürgerbegehren NRWs in Schwerte zum Erhalt des Elsebades auf den Weg gebracht. Diese Initiative hat damals mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt und hatte Erfolg: ein nach dem Bürgerbegehren gegründeter Bürgerverein betreibt das Bad bis heute. Seither sind mehr als 940 weitere Bürgerbegehren gefolgt. Damit liegt NRW im Bundesländervergleich hinter Bayern (3.485) und Baden-Württemberg (1.105) auf dem dritten Platz. In den vergangenen zehn Jahren ging es bei den Bürgerbegehren häufig um mehr Klimaschutz.
Ein Drittel der Verfahren ist unzulässig
Immer noch scheitern rund ein Drittel der Verfahren, weil sie für unzulässig erklärt werden. Daher fordert der Verein Mehr Demokratie NRW neue Regelungen. So sollten die kurzen Fristen, in denen Bürgerbegehren gegen Ratsbeschlüsse möglich sind, nach bayrischem Vorbild abgeschafft werden, heißt es. Auch sollten mehr Themen für Bürgerbegehren zugelassen werden. „Im Idealfall dürfen die Bürgerinnen und Bürger über all jene Themen abstimmen, über die auch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter entscheiden können“, so Wölfel.
Außerdem scheitern nach Ansicht von Mehr Demokratie zu viele Bürgerbegehren an einer zu geringen Beteiligung. Je nach Gemeindegröße müssen zwischen 10 und 20 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilnehmen. Das ist aber häufig nicht der Fall. So scheitern zahlreiche Verfahren, obwohl die Abstimmungsfrage von einer Mehrheit bejaht wird. Mehr Demokratie fordert eine Abschaffung des Zustimmungsquorums. „Es ist verdrehte Demokratie, wenn diejenigen am Ende das Ergebnis bestimmen, die gar nicht an der Abstimmung teilnehmen“, sagt Wölfel.
jüb/wsp