Holte das landesweit beste Ergebnis für die Grünen in Telgte: Bürgermeister Wolfgang Pieper. Foto: Bröker
15.09.2020

„Ein ganz anderer Machtfaktor“

18,5 Prozent der Stimmen haben die Grünen bei der Kommunalwahl in Westfalen erreicht. Das sind 7,7 Punkte mehr, als bei der Wahl 2014 und der größte Zuwachs an Stimmen in der Region. Die neue Stärke der Grünen beeinflusst auch zahlreiche Bürgermeisterwahlen.

In Münster sind die Grünen traditionell stark und legten nun noch einmal zu: 30,3 Prozent der Stimmen erreichten sie bei der Wahl des Stadtrats (2014: 20,1 Prozent), Der grüne OB-Kandidat Peter Todeskino gewann 28,5 Prozent und geht in die Stichwahl gegen Amtsinhaber Markus Lewe.

Auch in anderen Städten und Gemeinden waren die Grünen erfolgreich: In Bielefeld holten sie 22,1 Prozent (2014: 15,9), in Dortmund 24,8 Prozent (2014: 15,4), in Siegen 16,9 Prozent (2014: 11,6). Auch in zahlreichen westfälischen Kreisen, ob im Münsterland, Süd- oder Ostwestfalen legte die Partei zu.

Den Bochumer Politikwissenschaftler Prof. Jörg Bogumil hat dieses Ergebnis überrascht. „Die Grünen haben vor einigen Jahren in der Regel etwa sieben bis elf Prozent der Stimmen gewonnen. Jetzt haben sie einen großen Sprung geschafft und sind mit Stimmenanteilen in einem Bereich, den wir ansonsten eher von Städten in Baden-Württemberg kennen. Damit gibt es nun drei große Parteien und das bedeutet eine große Veränderung.“

Grüne Bürgermeisterkandidaten haben von diesem Trend offenbar ebenfalls profitiert. In einigen Städten und Gemeinden erhielten sie mehr als 20 Prozent der Stimmen – und trugen somit dazu bei, dass es zahlreiche Stichwahlen gibt. Selbst Amtsinhaber wie Markus Lewe in Münster, Pit Clausen in Bielefeld und Thomas Hunsteger-Petermann in Hamm müssen sich am 27. September erneut dem Wählervotum stellen. In Dortmund holte die Grünen-OB-Kandidatin Daniela Schneckenburg 21,8 Prozent der Stimmen. Die Frage, ob ihre Wähler im zweiten Wahlgang Thomas Westphal von der SPD oder Dr. Andreas Hollstein von der CDU ihre Stimme geben, wird die Abstimmung mitentscheiden.

Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Bogumil. Foto: RUB, Marquard

Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Bogumil.
Foto: RUB, Marquard

Woher der Erfolg der Grünen kommt? Jörg Bogumil sieht mehrere Gründe: „Die Grünen haben viele Stimmen von 16- bis 18-jährigen Wählern erhalten. Sie profitieren davon, dass das Thema Klimaschutz selbst von der Corona-Krise nicht überdeckt wurde.“ Die einstige „Öko-Partei“ liege nun vielerorts gleichauf mit der SPD und habe teilweise ihren Stimmenanteil verdoppelt, beobachtet der Wissenschaftler. „Damit haben sie nun einen ganz anderen Machtfaktor, als noch vor einigen Jahren.“

Das landesweit beste Ergebnis erzielten die Grünen in Telgte: Wolfgang Pieper, seit 2010 Bürgermeister in der münsterländischen 20.000-Einwohner-Stadt, wurde dort mit rund 86 Prozent wiedergewählt; er war jedoch ohne Gegenkandidaten angetreten. Seine Partei erhielt 41,6 Prozent der Stimmen und stellt damit erstmals die stärkste Fraktion im Gemeinderat.

wsp

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