Das Nahmertal in Hohenlimburg wurde schwer von dem Hochwasser getroffen. Foto: Feuerwehr/Stadt Hagen
07.07.2022

Ein Jahr nach der Flut

Das Wasser kam schnell. Binnen weniger Stunden überflutete es Straßen, drang in Gebäude, riss Bäume, Geröll und Autos mit sich. Vor einem Jahr sorgte Tief Bernd mit seinen starken Regenfällen für eine in der Region nie dagewesene Flutkatastrophe. In Westfalen waren vor allem Hagen und Altena betroffen. Die ersten Schäden sind beseitigt. Klar ist aber auch: Reparaturen, Wiederaufbau und die Einrichtung von Schutzmaßnahmen werden sich in den betroffenen Kommunen noch über Jahre hinziehen.

Uwe Kober ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Zum Jahrestag des Jahrhunderthochwassers am 14. Juli landen viele Anfragen auf dem Schreibtisch des Bürgermeisters von Altena. Große Teile der Stadt im Märkischen Kreis versanken vor einem Jahr in den Fluten. Zeitweise war Altena von der Außenwelt abgeriegelt, weil sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt werden mussten. Auch wenn viele Schäden schon repariert seien, die Folgen der Flut seien immer noch überall im Stadtbild zu sehen, sagt Kober.

In Altena sind bereits viele private Häuser renoviert – auch weil sich die Menschen gegenseitig geholfen haben. In seiner Stadt sei die Solidarität untereinander nach wie vor groß. Aber auch die Nervosität, wenn ein Gewitter aufzieht, sei spürbar, so der Bürgermeister. Auf die Kommune selbst warten noch große Aufgaben. In einem ersten Schritt haben sie eine umfassende Schadensaufstellung erstellt. Daraus wird ein Wiederaufbauplan entwickelt, in dem auch die Priosierung der Maßnahmen geregelt ist.

100 Millionen Euro müssen investiert werden

Kober rechnet damit, dass sich die Arbeiten in Altena bis mindestens 2030 hinziehen und mehr als 100 Millionen Euro verschlingen werden. „Und da sind die aktuellen Schwierigkeiten in Bezug auf Lieferketten und den Handwerkermangel noch nicht einbezogen. Ebensowenig die steigenden Preise“, sagt der Bürgermeister. Eine der größten Baustellen wird die Sanierung des Kanalsystems der Stadt sein. Zum Schutz vor neuerlichem Hochwasser sind aber auch einige Sofortmaßnahmen umgesetzt worden. So wurden Bachläufe und kleine Siepen in den umliegenden Wäldern ausgebaggert, damit sie mehr Wasser aufnehmen können und dieses auch ohne Barrieren abfließen kann. Zudem wurden zahlreiche sogenannte „Geschiebefänge“ erneuert. An ihnen sammelt sich vom Wasser mitgerissenes Geäst, damit es nicht die Kanäle schädigt oder verstopft.

Die Verwüstungen nach der Flut in Altena sind immens. Foto: Alexander Bange / Märkischer Kreis

Die Verwüstungen nach der Flut in Altena sind immens. Foto: Alexander Bange / Märkischer Kreis

Auch im nur etwa 16 Kilometer entfernten Hagen gibt es noch viel zu tun. Dort waren allein mehr als 100 Brücken und Stützbauwerke beschädigt oder zerstört worden. Etwa die Hälfte ist repariert, heißt es von Seiten der Stadt. An einigen Stellen konnten bisher nur Behelfsbrücken hergestellt werden, Neubauten sind in Planung. Außerdem waren von der Flut fast 100 städtische Immobilien betroffen. Besonders stark traf es das Rathauses I. Das Zweit-Rechenzentrum sei vollständig zerstört worden und müsse an anderer Stelle neu aufgebaut werden. Auch das Zentrale Bürgeramt konnte über Monate nicht genutzt werden. „Bis auf wenige sind alle Immobilien, teils noch mit Einschränkungen, wieder im Betrieb“, teilt die Stadt mit. Auf mehr als 80 Millionen Euro beziffert die Kommune den Schaden an der städtischen Infrastruktur.

Ein Turm steht leer

Die betroffenen Städte und Gemeinden arbeiten aber nicht nur daran, die Schäden zu beseitigen. Es geht auch darum, zukünftig besser für extreme Wetterereignisse gerüstet zu sein. So wird etwa in Hagen ein Messprogramm erarbeitet, mit dessen Hilfe Wasserstandsdaten der Hauptgewässer besser beobachtet werden können. Zudem sollen Hochwasserschutzkonzepte für die Gewässer Volme, Ennepe, Selbecker Bach und Hasper Bach in etwa einem Jahr vorliegen.

Im Märkischen Kreis arbeiten zudem alle Kommunen an der Umsetzung der Sirenenwarnkonzepte. So sollen alte gegen neue digitale Sirenen ausgetauscht werden. Auch ein Ausbau des Sirenennetzes ist geplant. „Zur Wahrheit gehört aber auch: Einen hundertprozentigen Schutz vor solchen Unwettern gibt es leider nicht. Es gilt, Maßnahmen zu ergreifen, die die Folgen einer solchen Katastrophe in Zukunft deutlich eindämmen“, sagt ein Sprecher des Kreises.

Der Turm der Arbeitsagentur Hagen steht seit der Flutkatastrophe leer. Foto: Arbeitsagentur Hagen

Der Turm der Arbeitsagentur Hagen steht seit der Flutkatastrophe leer. Foto: Arbeitsagentur Hagen

In Hagen hatte die Flut auch für die Arbeitsagentur katastrophale Folgen. Aus der einmal „höchsten Agentur Deutschlands“ ist der „leere Turm von Hagen“ geworden. Denn seit der Flut steht das 75 Meter hohe Gebäude direkt an der Volme leer. „Wir sind bei der Flutkatastrophe förmlich abgesoffen“, sagt Ulrich Brauer, Pressesprecher der Arbeitsagentur Hagen. Tiefgarage und Kellergeschoss standen nahezu komplett unter Wasser. Das war vor allem deshalb problematisch, weil dort auch die Klimatechnik und die Stromversorgung für die unteren Stockwerke untergebracht waren. Für Hunderte Mitarbeiter musste daher von einem auf den anderen Tag eine Lösung gefunden werden. „Corona hat uns da ausnahmsweise geholfen: Wir hatten inzwischen die Möglichkeit zum Homeoffice eingerichtet“, so Brauer.

Volmetalbahn immer noch teilweise gesperrt

Einige Monate nach der Flut öffnete das neue Kundencenter an anderer Stelle in Hagen. Inzwischen arbeiten die rund 370 Mitarbeiter auf vier Standorte im Stadtgebiet verteilt. Ob es für sie irgendwann einen Rückzug in den 75 Meter hohen Turm an der Volme geben wird, ist noch nicht klar. Nach einerSchätzung würde eine Sanierung, um den alten Zustand wieder herzustellen, rund 15 Millionen Euro kosten.

Die Klimakrise

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Auch die Deutsche Bahn konnte noch nicht sämtliche Schäden an ihren Strecken beseitigen. So ist die Volmetalbahn noch nicht wieder voll in Betrieb. Seit Dezember 2021 können Reisende zwar wieder von Hagen Hauptbahnhof bis Rummenohl mit dem Zug fahren. Die Reparaturen zwischen Rummenohl und Brügge dauern aufgrund der großen Schäden aber noch bis mindestens Ende 2022 an. Um die Stabilität des Bahndamms wiederherzustellen, müssen in Teilbereichen massive Stützwandkonstruktionen errichtet werden, teilt die Bahn mit.

Jürgen Bröker/wsp

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