Das Werk "Sketch for a Fountain" bei den Skulptur Projekten 2017 in Münster. Foto: Henning Rogge
30.09.2021

Ein politischer Brunnen

Nicole Eisenmans Brunnen „Sketch for a Fountain“ kehrt an die Promenade in Münster zurück. Eine Initiative setzte sich für die dauerhafte Installation des Werks ein. 

Bei den Skulptur Projekten 2017 zählte Eisenmans Brunnen zu den beliebtesten und meist diskutierten Werken der Ausstellung im Stadtraum von Münster: Die fünf nackten Figuren aus Gips und Bronze, die nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind, gruppieren sich zwanglos und entspannt um einen Brunnen. 

„Sketch for a Fountain“ polarisierte jedoch auch. Die Figuren wurden beschmiert und teilweise auch zerstört. Für die Initiative „Dein Brunnen für Münster“ gab dies den Anstoß, sich für das Kunstwerk zu engagieren. „Vor vier Jahren, in der Nacht vor der Bundestagswahl, wurde die auffälligste Figur mit Hakenkreuzen und homophoben Symbolen beschmiert“, berichtet Soetkin Stiegemeier-Oehlen, Sprecherin der Initiative. „Wir waren schockiert über die Zerstörung, zumal das Werk sich mit den ganz aktuellen Themen Gender und Toleranz befasst und damit auch eine politische Bedeutung hat. Wir sind überzeugt, dass Münster eine Friedensstadt ist und wollten mit Hilfe der Münsteraner Bürgerinnen und Bürger mit dem Brunnen ein Zeichen für Frieden und Toleranz setzen.“

Vor einigen Tagen wurden die Figuren für die dauerhafte Installation des Brunnen angeliefert. Foto: M. Kerstiens

Vor einigen Tagen wurden die Figuren für die dauerhafte Installation des Brunnen angeliefert. Foto: M. Kerstiens

Die Brunnen-Initiative, zu der neben Stiegemeier-Oehlen auch Maria Galen, Manfred Petermann, Uta Ramme und Sandra Silbernagel gehören, überzeugte die Stadtverwaltung Münster, zahlreiche Spender und vor allem die New Yorker Künstlerin Nicole Eisenman. „Sie wollte aufgrund ihres jüdischen Hintergrundes zunächst nicht dauerhaft in Deutschland ausstellen. Das politische Engagement für das Werk hat Nicole Eisenman aber beeindruckt und überzeugt, so dass sie schließlich sogar auf ihr Honorar verzichtet hat und auch nach Münster reiste, um die Suche nach einem geeigneten Orten zu unterstützen“, berichtet Stiegemeier-Oehlen. 

Zurück am alten Standort

Die Initiative "Dein Brunnen für Münster". Foto: M. Kerstiens

Die Initiative „Dein Brunnen für Münster“. Foto: M. Kerstiens

Der Brunnen wurde schließlich als nun dauerhafte Installation an seinem alten Standort an der Promenade aufgebaut. Der Ort ist kein Zufall, er liegt in der Nähe des so genannten Liebeshügels, der seit den 1930er Jahren als Schwulentreff diente. Vor dem Hintergrund des Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte und erst 1994 abgeschafft wurde, sei dies ein Ort des Widerstands, betont die Stadt Münster. Zudem findet sich in unmittelbarer Nähe die Büste von Annette von Droste-Hülshoff, die zu einem Vorbild vieler Frauen wurde. „In diesem Spannungsfeld wird der Brunnen zu einem weiteren Symbol für Toleranz, Gleichstellung und eine offene Gesellschaft. Es ist also ein sehr guter Platz, um zu zeigen, welche Werte Münster und seine Bürgerinnen und Bürger vertreten“, sagt Oberbürgermeister Markus Lewe.

Am 2. Oktober wird das Kunstwerk um 15 Uhr mit einem öffentlichen Bürgerfest eröffnet. Oberbürgermeister Lewe, Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und Skulptur-Projekte-Leiter Kasper König werden vor Ort mit dabei sein. „Dann gehört der Brunnen der Öffentlichkeit“, betont Soetkin Stiegemeier-Oehlen von der Initiative.

Ebenfalls am 2. Oktober wird die Ausstellung „Köpfe, Küsse, Kämpfe – Nicole Eisenman und die Modernen“ in der Kunsthalle Bielefeld eröffnet. Die Schau läuft bis zum 9. Januar 2022 und führt Werke aus allen Schaffensperioden Eisenmans zusammen.

wsp

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