Evonik gehört zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich Spezialchemie. Foto: Evonik
31.03.2022

„Ein Super-Gau“

Ohne Gas würden viele Werke still stehen. Angesichts der Frühwarnstufe Gas, die Wirtschaftsminister Habeck ausgerufen hat, warnt die Wirtschaft in Westfalen vor drastischen Folgen eines Lieferstopps.

„Die Situation macht uns große Sorgen“, fasst Andreas Lux, Geschäftsbereichsleiter für Innovationen, Umwelt und International bei der Südwestfälischen IHK zu Hagen die Stimmung zusammen. Das produzierende Gewerbe ist in Südwestfalen stark vertreten. Diese Unternehmen seien für ihren Betrieb grundlegend auf Energie aus Gas angewiesen, zum Beispiel wenn es um die Wärmebehandlung von Stoffen geht, so Lux. Er erklärt: „In der Produktion können Anlagen nicht unbedingt runter- und dann wieder hochgefahren werden, ohne dass es zu gravierenden Schäden oder sogar Ausfällen kommt.“ Gäbe es Schwierigkeiten oder gar einen Lieferstopp in der Gasversorgung, käme das „einem Super-Gau“ gleich. „Die Unternehmen müssten auf ‚Kurzarbeit Null‘ gehen“, so der Wirtschaftsvertreter. 

Gestörte Lieferketten

Bereits jetzt kämpfe die südwestfälische Wirtschaft mit gestörten Lieferketten. Unter anderem durch geschlossene Häfen wie in Shanghai gebe es Versorgungsprobleme bei bestimmten Stoffen. Stocke die Gasversorgung, würde dies für die deutsche Volkswirtschaft drastische Folgen haben, erklärt Lux. „Wir sehen angesichts des Krieges in der Ukraine die Notwendigkeit, sehr schnell alternative Lösungen für eine ausreichende, sichere und bezahlbare Energieversorgung zu finden.“

Drastische Folgen würde ein Lieferstopp für die chemische Industrie haben. Das betonte Evonik-Chef Christian Kullmann. Der Chemiepark Marl ist größter Produktionsstandort des Unternehmens. Dort soll eigentlich in diesem Jahr die „Steinkohle-Ära“ enden. Ein Kohlekraftwerk würde durch ein modernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ersetzt. Bis zu einer Millionen Tonnen CO2 könnten durch die Umstellung pro Jahr gespart werden, hieß es beim Baustart 2019. Nun prüft Evonik, ob ein Block Kohlekraftwerk nicht doch über den Sommer hinaus laufen könnte, kündigte der Konzernchef bereits Anfang März bei einer Bilanzpressekonferenz an. Rechtliche Voraussetzungen, technische Gegebenheiten und der Einsatz von Mitarbeitern würden derzeit geklärt, heißt es vom Chemiepark.

Käme es nun zu einem kompletten Gas-Lieferstopp, sieht Evonik-Chef Kullmann weitreichende Folgen. „90 Prozent aller Produktionsprozesse funktionieren nur, weil Chemie drin ist“, erklärte er im Interview mit dem WDR. Ein Produktionsstopp bei Evonik hätte somit Folgen für die gesamte Industrie bis hin zur Arzneimittelproduktion. 

Wirtschaftsminister: Versorgung aktuell gewährleistet

Angesichts der „Frühwarnstufe Gas“ haben die Energieminister der Länder über die Folgen des Kriegs in der Ukraine für die Energieversorgung gesprochen. NRW-Energieminister Andreas Pinkwart betonte, dass die Versorgung aktuell gewährleistet sei: „Mit dem Ziehen der Frühwarnstufe treffen wir Vorsorge und bereiten uns auf alle Eventualitäten vor.“ Das Land stünde vor zwei großen energiepolitischen Herausforderungen: „Wir müssen einerseits die Folgen des Krieges in der Ukraine auf unsere Energieversorgung kurzfristig abfedern. Das gilt sowohl für die Versorgungssicherheit als auch für bezahlbare Energiepreise. Andererseits halten wir an unseren ambitionierten Klimaschutzzielen fest, denn mit einer beschleunigten Energiewende haben wir den Schlüssel zur Bewältigung beider Herausforderungen selbst in der Hand.“

wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin