„Eine sehr unbefriedigende Situation“
Im April hat der NRW-Landtag das neue Denkmalschutzgesetz für NRW beschlossen, trotz großer Kritik von Denkmalschützern, aus Wissenschaft und aus den Kommunen. Im Interview spricht Dr. Holger Mertens, Leiter des Denkmalfachamtes beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), über die Konsequenzen der Gesetzesnovelle.
Herr Dr. Mertens, Sie hatten als Folge des Gesetzes eine Welle von Abrissanträgen befürchtet. Ist dies eingetreten?
Es hatte in den Monaten vor dem Beschluss tatsächlich deutlich mehr Anträge auf Abriss von Denkmälern gegeben. Dieser Trend hat sich glücklicherweise aber nicht fortgesetzt. Geblieben ist nach meiner Wahrnehmung eine Unsicherheit. Es bestehen bei den Kommunen immer noch Unklarheiten, was Aufgaben und Zuständigkeiten angeht. Das hat dazu geführt, dass es bei diesen Themen zuletzt vermehrt Diskussionen zwischen dem LWL-Denkmalfachamt und den Unteren Denkmalbehörden bei den Kommunen gegeben hat. Das hat viel Zeit gekostet und mitunter auch für Unfrieden zwischen Partnern gesorgt, die ansonsten gut zusammenarbeiten.
Die Position der Kommunen in Denkmalschutzverfahren sollte durch das neue Gesetz gestärkt werden.
Das ist ein Ziel des Gesetzes. In der Praxis erleben wir aber, dass viele Kommunen weiter im bewährten Verfahren, also gemeinsam mit den Denkmalfachämtern im Vier-Augen-Prinzip arbeiten wollen. Das ist so aber nicht mehr gewollt. Aus dieser Situation ergeben sich Konflikte. Dazu trägt auch bei, dass wesentliche Punkte in der Denkmalverordnung vom August 2022 nicht geregelt sind. Im Fokus unserer Arbeit sollten der Erhalt und die Pflege des Denkmals stehen. Daher empfinde ich diese Situation als sehr unbefriedigend.
Private Eigentümer von Denkmälern sollten mehr Unterstützung erhalten, hieß es aus dem NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung.
Umgesetzt wurde dieses Vorhaben jedoch nicht. Im Landeshaushalt für 2023 sind die Fördermittel für Denkmalpflege drastisch gekürzt worden. Je nach Bereich betragen sie nur noch die Hälfte oder ein Drittel des vorherigen Umfangs. In früheren Jahren wurde ein Staatspreis als Würdigung und Unterstützung für Denkmaleigentümer verliehen. Davon ist bislang keine Rede mehr, genauso wie von einem Landesdenkmalrat, der für die zusätzliche Unterstützung und Beratung des Ministeriums gebildet werden soll.
Gab es im zurückliegenden Jahr auch positive Trends in Sachen Denkmalschutz?
Auf jeden Fall. Dazu zählt, bei allen Schwierigkeiten, die Zusammenarbeit mit Kommunen, Architekten und anderen Akteuren in der Denkmalpflege. Wir sehen auch nach wie vor sehr positive Beispiele für die Sanierung von Denkmälern. Dazu gehören das Schloss Cappenberg, das im April wiedereröffnet wurde, und auch die benachbarte Stiftskirche, die in diesem Jahr nach einer umfassenden Instandsetzung ihr 900-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Die Diskussionen und das Ringen um die denkmalgerechte Restaurierung und Modernisierung dieser Orte haben mich und meine Kolleginnen und Kollegen einige Jahre begleitet. Nun ist dort sichtbar, welch tolle Leistungen erzielt werden können, wenn es ein gemeinsames Engagement für ein Denkmal gibt. Und es zeigt einmal mehr, dass Denkmalpflege einer der schönsten Berufe der Welt ist.
Interview: Annette Kiehl, wsp