Tierhaltung und Tierwohl werden wesentliche Themen sein, die der neue Präsident der westfälischen-lippischen Landwirte in den kommenden Jahren angehen will. Foto: Jürgen Bröker
21.02.2020

Tierwohl ganz oben auf der Agenda

Hubertus Beringmeier ist der neue Präsident der westfälisch-lippischen Landwirte. Als erster Ostwestfale wurde er in das Amt gewählt. Im Interview spricht er über seine Ziele und die Herausforderungen für die Landwirtschaft in der Region.

Herr Beringmeier, über Landwirtschaft wird öffentlich viel diskutiert. Wo sehen Sie die inhaltliche Schwerpunkte Ihrer Präsidentschaft?
Unter anderem wird uns die Diskussion um die Tierhaltung sicher weiter beschäftigen. Die Landwirte haben große Sorgen, wie man die Vorgaben umgesetzt bekommt. Nehmen wir einen funktionierenden landwirtschaftlichen Betrieb, der seine Ställe vollkommen in Ordnung hat. Der bekommt jetzt gesagt, so wie du deine Tiere hälst, ist das in Zukunft nicht mehr akzeptabel. Da brauchen wir einen vernünftigen Rahmen und vernünftige Lösungen. Das wird eine wichtige Aufgabe werden. Am Ende funktioniert Landwirtschaft nur, wenn ein ausreichendes Familieneinkommen erwirtschaftet werden kann. Das beschäftigt ja auch die jungen Leute und verursacht Zukunftsängste. Wir brauchen Planungssicherheit über mehrere Jahre. Man kann nicht heute Abluftfilter für Ställe verlangen und dann im nächsten Atemzug sagen, dass die Tiere doch lieber nach draußen an die frische Luft sollen.

Welche Impulse können da aus der Region kommen?
Westfalen-Lippe ist schon ganz weit vorne. Wir haben uns früh mit dem Thema Tierwohl befasst und wollen das auch weiter tun. Mit der Offensive Nachhaltigkeit sind wir schon seit zweieinhalb Jahren unterwegs. Daraus hat es Impulse für ganz Deutschland gegeben.

Trotzdem haben sich Landwirte als Produzenten von Lebensmittel und Verbraucher in den vergangenen Jahren immer weiter voneinander entfernt – wie können Sie die beiden Seiten wieder zusammenbringen?
Zunächst einmal: Sie haben völlig recht. In den vergangen Jahren ist eine Kluft entstanden, die wir schließen müssen. Aber es passiert ja auch schon einiges. So finanzieren wir über einen Fonds, in den die Landwirte freiwillig einzahlen, eine Imagekampagne. Aber auch jeder einzelne Landwirt muss für sich Öffentlichkeitsarbeit machen. Das haben wir in den vergangenen Jahren vielleicht auch versäumt. Vor 20 Jahren hatten mehr Menschen Kontakt zu den Landwirten. Heute kennen die meisten Menschen keinen Stall mehr von innen. Wir planen einen Tag des offenen Hofes. Da wollen wir die Bevölkerung zu uns auf den Hof einladen. Das Schöne ist, dass das Interesse an der Landwirtschaft so groß ist wie selten. Das ist auch eine Chance. Und die haben wir zu einem Großteil den jungen Landwirten zu verdanken, die sich in der Initiative „Land schafft Verbindung“ engagieren.

Ställe mit Abluftfiltern oder doch Freilandhaltung, was kommt auf die Tierhalter in der Region zu? Foto: Jürgen Bröker

Ställe mit Abluftfiltern oder doch Freilandhaltung, was kommt auf die Tierhalter in der Region zu? Foto: Jürgen Bröker

Das ist ein gutes Stichwort. In der Vergangenheit hatte man das Gefühl, die Initiative „Land schafft Verbindung“ mache ihr eigenes Ding. Die Landwirte haben nicht immer ein einheitliches Bild abgegeben – droht eine Spaltung?
Es ist mir ein zentrales Anliegen, die Gruppen weiter zusammenzuhalten. Es gibt innerhalb der Landwirtschaft keine Grabenkämpfe, nicht zwischen Klein und Groß, Bio und Konventionell oder Fleisch, Milch und Pflanze. Wir haben ja auch all diese Gruppen in unserer Mitgliedschaft. Aber wir müssen sehr aufpassen, dass wir die jungen Landwirte der Bewegung „Land schafft Verbindung“ nicht verlieren, dass wir auf diese jungen Leute zugehen, dass wir sie in unsere Arbeit einbinden. Würden wir in einzelne kleine Gruppen zerfallen, dann würden wir sicher auch von der Politik nicht mehr wahrgenommen. Deshalb müssen wir weiter als starke Einheit nach außen agieren.

Das Münsterland hat bisher immer den WLV-Präsidenten gestellt. Nun ist es nicht einmal im aktuellen Vorstand vertreten. Sind Sie auch da gefordert?
Deshalb habe ich auch direkt nach meiner Wahl angeboten, dass wir eine Person aus dem Bezirksverband Münsterland bis zur nächsten regulären Wahl der Gremien im kommenden Jahr mit in den Vorstand nehmen. Wer das sein wird, soll das Münsterland entscheiden. Mir ist einfach wichtig, dass alle Regionen im Präsidium vertreten ist.

Klingt so, als wäre ihnen die Einigung der Landwirte besonders wichtig. 
Auf jeden Fall. Deshalb möchte ich auch so schnell wie möglich mit den jungen Landwirten der Bewegung „Land schafft Verbindung“ sprechen. Die jungen Leute, die einen hervorragenden Job machen, haben uns Landwirten viele Türen geöffnet. Aber auch die Landjugendverbände sind für mich ein wichtiger Ansprechpartner. Die jungen Landwirte sind gut ausgebildet und hoch motiviert. Wir brauchen diese junge Leute, ich würde mich freuen, wenn sie im Verband mitmachen. Generell möchte ich aber auch den Informationsfluss zwischen Mitgliedern und dem Verband verbessern. Mir ist wichtig, dass deutlich wird: Wir sind alle Landwirte, wir sind eine Mannschaft. Das möchte ich erreichen.

Im Verband engagierte Landwirte sahen sich auch immer wieder Angriffen ausgesetzt. Vor allem wenn Sie selbst Tierhalter waren. Haben Sie Angst vor Übergriffen? 
Bei uns auf dem Hof ist schon vor zweieinhalb Jahren eingebrochen worden. Zum Glück sind keine Tiere zu Schaden gekommen. Aber ich finde es ziemlich schlimm, wenn man als Ehrenamtler, ganz gleich in welchem Bereich man sich engagiert, Angst haben muss vor Übergriffen. Innerhalb des Verbands haben wir sogar diskutiert, ob ein Tierhalter überhaupt noch an der Spitze stehen kann. Aber wir haben dann auch schnell gesagt, dass es ja nicht sein kann, dass wir Landwirte mit Tierhaltung von den Ämtern ausschließen.

Hubertus Beringmeier. Foto: WLV

Der neue WLV-Präsident Hubertus Beringmeier. Foto: WLV

Wie geht es Ihnen dennoch mit der potenziellen Bedrohung?
Ich schlafe deshalb nicht schlechter. Ich schäme mich nicht für meine Tierhaltung. Im Gegenteil. Wir arbeiten transparent und stellen jedes Jahr weit mehr als 30.000 Bilder mit Hilfe zweier Webcams aus den Ställen ins Netz. Das, was wir Landwirte machen, muss vorzeigbar sein und es muss in Ordnung sein. Ich selbst bin sehr gerne Landwirt und leidenschaftlicher Tierhalter.

Allerdings werden Sie jetzt nicht mehr viel Zeit für ihre Beruf haben. 
Stimmt. Ich bin jetzt ein klassischer Nebenerwerbslandwirt. Denn das Präsidentenamt will ich zu 100 Prozent ausfüllen. Das ist ein Fulltimejob. Aber in der Zeit, die übrig bleibt, unterstütze ich meinen Sohn und meine Frau auf dem Hof – und das mit aller Leidenschaft.

Interview: Jürgen Bröker

Mehr zum Thema Landwirtschaft lesen Sie auch auf unserer Schwerpunktseite „Landwirtschaft im Dilemma“.

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