Das Bochumer Terrassenhaus, Anfang der 1970er Jahre erbaut, steht seit zwei Jahren unter Denkmalschutz und gilt als Architektur-Ikone. Foto: Foto: Manfred Hanisch
25.06.2021

„Es bleibt unverbindlich“

Der Entwurf für ein neues Denkmalschutzgesetz in NRW wird heftig kritisiert. Neben den Denkmalfachämtern bei den Landschaftsverbänden hegen auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Heimatverbände und der Internationale Rat für Denkmalpflege schwere Bedenken gegen die Gesetzesnovelle.

Der Entwurf sieht vor, die Rolle des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zu schwächen. Darunter würde auch der Denkmalschutz leiden, sind Experten und ehrenamtlich engagierte Akteure überzeugt.

Die zuständige Ministerin Ina Scharrenbach hat in dieser Woche in einer Sitzung des LVR Landschaftsausschusses Anpassungen des Entwurfs in Aussicht gestellt. Demnach sollen die Landschaftsverbände ein Vorschlagsrecht in Denkmalschutzverfahren behalten und feste Sitze im Sakralausschuss erhalten. Wir haben mit dem Landeskonservator für Westfalen, Dr. Holger Mertens, über diese Punkte gesprochen. Er ist Chef der LWL-Denkmalpflege.

Herr Mertens, die Ministerin hat Veränderungen des Entwurfs angekündigt. Worum geht es dabei?
Frau Scharrenbach hat angekündigt, dass Denkmalfachämter in Zukunft das Recht haben, anzuregen, Denkmäler unter Schutz zu stellen. Das kling zunächst gut, ist aber letztendlich unverbindlich. Erst ein Antragsrecht würde bewirken, dass eine Kommune verpflichtet ist, sich mit einem möglichen Denkmal zu beschäftigen. Wenn es um sogenannte unbequeme Denkmäler geht, zum Beispiel umstrittene Bauten aus der Nachkriegszeit, dann kann es unter Umständen entscheidend für den Erhalt sein, dass die Fachämter ein verbindliches Recht haben, mitzureden.

Die Ministerin stellt den Landschaftsverbänden nun Sitze im geplanten Sakralausschuss in Aussicht.
Die Frage lautet, ob ein solcher Sakralausschuss überhaupt angemessen ist. Kirchen würden damit das Sonderrecht erhalten, über den Schutz von Denkmälern in ihrem Besitz zu diskutieren. Dieses Recht haben andere Eigentümer nicht, da der Schutz von Denkmälern Verfassungsrang hat. Solch einen Sakralausschuss gibt es in anderen Bundesländern nicht.

Dr. Holger Mertens. Foto LWL

Dr. Holger Mertens. Foto LWL

Ist die Ankündigung der Ministerin trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung?
Es mag ein Anfang sein, das wirklich entscheidende Thema wird aber bislang nicht erwähnt. Dabei geht es um die sogenannte Benehmensherstellung. Hier besagt der Gesetzesentwurf, dass die Denkmalfachämter in Verfahren zur Unterschutzstellung nur noch angehört, aber nicht mehr beteiligt werden müssen.

Was würde das bedeuten?
Das Ministerium nennt als Ziel eine Verkürzung der Verwaltungsabläufe. Damit redet man die Benehmensherstellung jedoch klein. Es geht dabei vielmehr darum, dass die untere Denkmalbehörde, die bei den Kommunen angesiedelt ist, und das Denkmalfachamt gemeinsam den Eigentümer eines Denkmals beraten. Wir als Fachamt haben die Kompetenz und Erfahrung, wenn es zum Beispiel um bauliche Veränderungen oder auch um Fördergelder geht. Eine Befragung von rund 260 unteren Denkmalbehörden zeigte, dass dieses Fachwissen nicht in allen Kommunen vorhanden ist; sei es, weil es dort zu wenig Personal gibt oder auch nicht die speziellen Qualifikationen. Das hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern ist eine Tatsache, beschrieben von den Kommunen selber.

Es gibt große Kritik an dem Entwurf für das neue Denkmalgesetz.
Ich beobachte eine sehr intensive, inhaltliche Auseinandersetzung mit der Novelle und zwar quer durch die Gesellschaft. Nicht nur die Landschaftsverbände kritisieren den Entwurf, auch zahlreiche ehrenamtliche Akteure der Heimatpflege. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat eine Online-Petition gegen die Neufassung gestartet. Der Internationale Rat für Denkmalpflege hat sogar gewarnt, dass die Gesetzesänderung dazu führen könnte, dass Welterbestätten wie Corvey in Gefahr sind. Tatsächlich muss man sich vergegenwärtigen, was auf dem Spiel steht. In Nordrhein-Westfalen sind nur 1,5 Prozent der Bauwerke denkmalgeschützt, das ist im Bundesvergleich sehr wenig. Das sind Kulturgüter, die – genauso wie ein Gemälde, das in einem Museum ausgestellt ist – einzigartig und nicht zu ersetzen sind.

Weitere Informationen zur Online-Petition finden Sie hier.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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