
China statt Westfalen
Eigentlich sollten in Saerbeck bis zu 10.000 Wasserstoff-Elektrolyseure pro Monat gebaut werden. Nun steht die Produktionsstätte im Münsterland weitestgehend leer, produziert wird stattdessen in China.
Erst vor einem Jahr hatte die Enapter AG den ersten sogenannten AEM-Elektrolyseur der Megawattklasse vorgestellt. Dieser kann grünen Wasserstoff in großen Mengen herstellen. Damals hieß es noch: Mittelfristig soll der „AEM-Multicor“ auf dem Enapter Campus in der „Klimakommune“ Saerbeck in Serie hergestellt werden. Das deutsch-italienische Technologieunternehmen hatte dazu eigens einen Enapter Campus für Produktion, Forschung und Entwicklung sowie Verwaltung aufgebaut. Bis zu 300 Arbeitsplätze sollten dort entstehen und den Wasserstoffhochlauf in der Region weiter voranbringen. Daraus wird nun nichts. Kleine Elektrolyseure werden in Saerbeck nicht gebaut und auch die Produktion des Großelektrolyseurs hat Enapter nach China verlagert. Der Kern der Elektrolyseure wurde und wird weiterhin in Italien produziert. Die meisten Hallen- und Büroflächen in Saerbeck sollen stattdessen vermietet werden.
Entsprechend groß ist die Enttäuschung in der Klimagemeinde Saerbeck und im Kreis Steinfurt. „Das Unternehmen Enapter plante in den vergangenen Jahren große Investitionsprogramme in den Standort Saerbeck, die zuletzt aber bereits ,abgespeckt’ wurden. Ein möglicher Grund für diese Entscheidung liegt in der Entwicklung des Wasserstoffmarktes, der – auch aufgrund des russischen Angriffskriegs und anderer globaler Entwicklungen – langsamer erfolgt, als von der Wirtschaft und Politik zunächst langfristig prognostiziert“, erklärt ein Sprecher des Kreises Steinfurt gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL. Die Verlagerung der Produktion nach China sei aus Sicht des Kreises eine rational und betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidung, die für die Wirtschaftsregion Kreis Steinfurt dennoch eine Enttäuschung bedeute.
Was wird aus den Fördergeldern?
Alle Beteiligten, die Stadt Saerbeck, der Kreis Steinfurt und die Fachhochschule Münster, hatten sich ordentlich gestreckt, um die Ansiedlung des Unternehmens in der Klimagemeinde zu ermöglichen. So wurde etwa die Baugenehmigung für den Produktionskomplex innerhalb von zweieinhalb Monaten erteilt.
Auch sind insgesamt rund 16 Millionen Euro an Fördergeldern bewilligt worden, um die Entwicklung von Anlagen und Elektrolyseuren gemeinsam mit Partnern, etwa der FH Münster, voranzutreiben. Ein Ergebnis ist der AEM Elektrolyseur der Megawattklasse, der vor rund einem Jahr in Saerbeck vorgestellt wurde.
Das NRW-Wirtschaftsministerium prüft derzeit die Faktenlage zum Sachverhalt und der Verbindung zu einem durch das Land geförderten Projekt im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Elektrolyseurproduktion in Saerbeck. Man werde zeitnah das Gespräch mit dem Unternehmen Enapter suchen. „Im Anschluss werden dann alle weiteren Verfahrensschritte auch hinsichtlich der landesseitigen Projektförderung festgelegt“, so das Ministerium.
Mehr zum Thema Wasserstoff in Westfalen lesen Sie auch in unserem Dossier „Alleskönner Wasserstoff?“. Hier geht es zum Dossier.
Enapter selbst hatte vor wenigen Wochen in einer Ad-Hoc-Mitteilung erklärt, dass im Rahmen einer Strategieanpassung Produktion und Montage großer Teile der Elektrolyseure vom chinesischen Joint-Venture-Partner Wolong Enapter Hydrogen Technologies Ltd. übernommen werden. Und weiter: „Damit ist zu erwarten, dass eine Produktionserweiterung in Saerbeck kurz- und mittelfristig nicht erfolgen wird.“ Auf Nachfrage erklärt das Unternehmen nun: „Am Markt dominiert die Nachfrage nach großen Geräten im Megawattbereich. Kleinere Geräte – die wir ursprünglich in Saerbeck produzieren wollten – werden hingegen wesentlich schwächer nachgefragt.“
Rückzug Enapters auch eine Chance
Aus Sicht der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt mbH) bietet die Produktionsverlagerung von Enapter aus Saerbeck jedoch auch eine Chance für die Wirtschaft in der Region: Viele Unternehmen im Kreis suchten händeringend nach Flächen für Wachstum und auch für überregionale Unternehmen ist die Produktionsstätte ein möglicher Standort für Produktion und Logistik, heißt es. Daher sei trotz Unsicherheit über die Entwicklung der Wasserstofftechnologie Zuversicht geboten: „Enapter zieht sich nicht komplett aus Saerbeck zurück und verfolgt weiterhin Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit der FH Münster. Andere Unternehmen im Kreis treiben weiter Wasserstoffprojekte voran. Im Gesamten stimmen die Voraussetzungen optimistisch, dass die Wasserstoffwirtschaft im Kreis Steinfurt weiter wachsen wird.“
Auch der Bürgermeister der Gemeinde Saerbeck, Dr. Thomas Lehberg, äußert sich vorsichtig optimistisch: „Die geschäftsstrategische Entscheidung der Firma Enapter hat keine Auswirkungen auf weitere Projekte in der Gemeinde. Die Firma Enapter behält ihren Forschungsbereich in Saerbeck mit etwa 30-35 Mitarbeitern, somit gibt es auch weiterhin eine Zusammenarbeit.“ Einen Teil des Enapter Campus will das deutsch-italienische Unternehmen daher selbst weiter nutzen, heißt es aus der Konzernzentrale. Es sei kein Stellenabbau geplant – im Gegenteil: „Wir sind auch weiterhin auf der Suche nach neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Von Saerbeck aus werden u.a. die Unternehmensbereiche Engineering, das Projektmanagement sowie Teile unserer Forschung und Entwicklung und Einkauf gesteuert“, so Enapter. Gebaut werden die Elektrolyseure vorerst dennoch woanders.
jüb, wsp
Korrektur: In der ersten Fassung des Beitrags haben wir geschrieben, dass rund 16,8 Millionen Euro an Fördergeldern in das Projekt geflossen sind. Das konnte man auch missverstehen, daher hier die Klarstellung: Die genannten Fördergelder sind nicht in den Bau des Enapter Campus geflossen, sondern sind für Forschungsprojekte bereitgestellt worden.