Kilian Lanig. Foto: Kiehl
05.05.2023

„Erfüllender Beruf“

Kilian Lanig wird Hebamme. Ein Artikel zum Internationalen Hebammentag aus dem WESTFALENSPIEGEL 6/2022.

Eigentlich sind Männer in der Geburtshilfe nichts ungewöhnliches – wenn sie denn Arzt sind. Männliche Hebammen hingegen gelten als Exoten im Kreißsaal. Kilian Lanig möchte aber gerade das nicht sein. Der 31-Jährige steckt mitten in der Examensphase seiner Hebammenausbildung am St. Elisabeth-Hospital in Bochum und ist der einzige Mann unter rund 40 Hebammenschülerinnen. Er ist überzeugt: „Mehr Männer sollten diesen Beruf auf dem Radar haben.“

Lanig arbeitet im Kreißsaal und auf der Wöchnerinnenstation. Nun, kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung, betreut er bereits weitgehend selbstständig Geburten, führt die ersten Untersuchungen bei Säuglingen durch und hilft den frisch gebackenen Müttern bei Stillproblemen. Im Kreißsaal gebe es schon mal einen Überraschungsmoment, wenn er sich den werdenden Eltern als Hebamme vorstellt, erzählt Lanig. Ob es auch einmal Vorbehalte oder Ablehnung gebe? „Wenn das der Fall ist, dränge ich mich nicht auf. Die Frau steht im Mittelpunkt“, antwortet er und erzählt von positiven Erfahrungen: „Gerade Männer sind dankbar, wenn sie in einer Situation, in der vieles neu und aufregend ist, einen männlichen Ansprechpartner haben. Und für die allermeisten Frauen zählt einfach die Unterstützung, die sie von mir erhalten.“

Viele Jahrhunderte lang ein reiner Frauenberuf

Über viele Jahrhunderte war der Hebammenberuf Frauen vorbehalten. Der altdeutsche Begriff der „Ahnin, die das Neugeborene hält“, deutet darauf hin. Seit 1985 dürfen in Deutschland Männer die Ausbildung absolvieren. „Entbindungspfleger“ wurden sie damals genannt. Seit 2020 steht im Hebammengesetz: „Die Berufsbezeichnung ‚Hebamme‘ gilt für alle Berufsangehörigen.“ Offizielle Zahlen, wie viele Männer als Hebamme arbeiten, gibt es nicht, doch die allermeisten Jahrgangsfotos von Hebammenschulen oder -studiengängen zeigen: diese Berufswahl ist auch heute noch höchst selten bei Männern. Auch Kilian Lanig, gebürtig in Franken, kam über Umwege in den Kreißsaal: Erst studierte er einige Semester Medizin, dann absolvierte er eine Ausbildung als Krankenpfleger. Bei einem Einsatz auf der Wöchnerinnenstation gefiel es ihm so gut, dass er dort weiter arbeitete. „Mir ist irgendwann gar nicht mehr aufgefallen, dass ich dort der einzige männliche Vertreter war“, erinnert er sich. Lediglich die Tage nach der Geburt zu begleiten, das reichte Lanig bald aber nicht mehr. Er bewarb sich quer durch die Republik an Hebammenschulen. Hochschulen kamen für ihn übrigens nicht in Frage, denn dort hätte der examinierte Krankenpfleger nicht die Möglichkeit gehabt, die Ausbildungszeit zu verkürzen. 

Lanigs Erwartungen und Hoffnungen haben sich in Bochum erfüllt: „Die Geburtshilfe ist ein sehr erfüllender Beruf. Man kann viel weitergeben an die Familien.“ Und das gerade in schwierigen Momenten, hat er erfahren. So erzählt Lanig von einem Kind, das mit einem Gendefekt geboren wurde. „Die Eltern waren mit dieser Situation zunächst überfordert und hatten Berührungsängste. Als ich sie dann anleiten konnte, wie sie den Säugling anfassen und diese besondere erste Zeit genießen können, da habe ich gespürt, welchen Einfluss man als Hebamme haben kann.“

Annette Kiehl 

Ein Beitrag aus dem WESTFALENSPIEGEL 06/2022. Lesen Sie mehr zum Thema Hebammen hier.

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin