Der Nachdruck des letzten Briefs, den Nikolaus Groß aus dem Gefängnis an seine Familie geschrieben hat. Foto: Achim Pohl, Bistum Essen
23.01.2025

Erinnerung an einen Seligen

Vor 80 Jahren wurde der NS-Widerstandskämpfer und Arbeiterführer Nikolaus Groß aus Hattingen von den Nazis ermordet.

Groß, geboren 1898 in der Gemeinde Niederwenigern, heute ein Stadtteil von Hattingen im Ennepe-Ruhr-Kreis, arbeitete nach dem Besuch der Volksschule zunächst in der Industrie und im Bergbau. In Abendkursen bildete er sich fort und wurde Journalist. Bei der „Westdeutschen Arbeiterzeitung“ war er schließlich sogar Chefredakteur. Das Blatt fuhr einen kritischen Kurs gegenüber dem Nationalsozialismus, nannte dessen Anhänger unter anderem „Größenwahnsinnige“, „Volksbetrüger“, „Hohlköpfe“ und „Gewalttäter.“ 1938 verboten die Nazis die Zeitung. 

Einen Namen machte sich Groß weit über die Region hinaus als führende Kraft der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB). Seit 1942 beriet Groß mit Freunden aus der KAB, Christlichen Gewerkschaften und Zentrumspartei im sogenannten Kölner Kreis über Alternativen zum NS-Regime. Unabhängig davon wagte am 20. Juli eine Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg 1944 einen Umsturzversuch. Das Attentat auf Hitler schlug fehl. Noch am Tag davor hatte Nikolaus Groß gegenüber einem KAB-Vorsitzenden geäußert: „Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie sollen wir dann vor Gott und unserem Volk einmal bestehen?“ Gut drei Wochen später wurde Groß im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet, obwohl er nicht daran beteiligt war. „Er schwamm mit im Verrat, muss folglich auch darin ertrinken“, hieß es später in der Urteilsbegründung. „Tod durch Erhängen“, lautete das Urteil des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs gegen den 46-Jährigen. Heute vor genau 80 Jahren wurde es in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Zurück bliebt Groß’ Witwe Elisabeth mit sieben Kindern. Groß hatte zwei Tage vor seiner Ermordnung einen Abschiedsbrief verfasst, der heute in Kopie in einer Gedenkkapelle im Essener Dom ausgestellt ist.

Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II.

80 Jahre nach Groß‘ Tod setzen sich Nachfahren des Widerstandskämpfers dafür ein, die Erinnerung an den Journalisten, Arbeiterführer, Widerstandskämpfer und Familienvater lebendig zu halten, zum Beispiel gemeinsam mit dem Verein Nikolaus-Groß-Niederwenigern in Hattingen. In der St. Mauritius-Kirche an Groß’ Geburtsort steht eine Stele zu dessen Gedenken. Vor allem im Ruhrgebiet tragen Straßen, aber auch Schulen und Weiterbildungskollegs „Nikolaus Groß“ in ihrem Namen.

„Wenn sein Lebenswerk Sinn und Zweck in der heutigen Zeit haben soll, dann müssen wir wachsam sein im Hinblick auf aktuelle politische Tendenzen. Wo es in Richtung Entrechtung geht, wenn man Fremdenfeindlichkeit oder Ausgrenzung von Schwachen und Minderheiten spürt, dann sind alle Generationen gefragt, dagegen einzutreten“, sagte Thomas Groß, ein Enkel des ermordeten Gewerkschafters, gegenüber dem Bistum Essen. „Wir wissen, was die Zeit zwischen 1933 und 1945 gebracht hat: Not und Tod. Ich hoffe, dass es in Deutschland genügend standhafte Menschen gibt. Damit sich Geschichte nicht wiederholt.“ 2001 wurde Nikolaus Groß von Johannes Paul II. selig gesprochen. Der Papst hatte Groß bereits zuvor als „Widerstandskämpfer“ gewürdigt, der sein Leben für seinen Glauben und die Kirche hingegeben habe. 

In Groß‘ Taufkirche St. Mauritius in Hattingen feiert Weihbischof Stefan Zekorn aus Münster am 25. Januar eine Messe im Gedenken an den Seligen. Auch in der Mauritius-Kirche gibt es eine Gedenkstätte. Das Nikolaus-Groß-Museum erzählt in Bildern, Texten und Gegenständen dessen Leben.

„Nikolaus Groß – Unerschütterlich“ ist der Titel eines 17-teiligen Doku-Hörspiels, das auf allen gängigen Musik-Streaming-Plattformen zu finden ist sowie unter unerschütterlich.bistum-essen.de. Der Medienmacher Robert Groß, fünftes Kind von Nikolaus Groß, schildert in dem Kurzfilm: „Der Abschiedsbrief von Nikolaus Groß“ die Geschichte eben dieses Zeugnisses. Unter bene.mg/abschiedsbrief ist der Film verfügbar.

wsp

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