Eine Postkarte aus der Kinderheilanstalt Bad Sassendorf, in der zahlreiche Kinder für Kuren untergebracht waren. Copyright: Förderverein Westfälische Salzwelten
02.02.2024

Erinnerungsort für „Kurkinder“

Die Skulptur „Wundmal“ der Künstlerin Heike Fischer-Nagel soll im Kurpark von Bad Sassendorf an die Geschichte der Menschen erinnern, die in ihrer Kindheit ohne Eltern zu Erholungskuren in die Gemeinde geschickt wurden. Wie an vielen Kurorten schildern Betroffene heute, dass sie auch dort Leid und Misshandlung während der Aufenthalte erfahren haben.

Die Geschichte der Kinderkuren in Bad Sassendorf reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. In den ersten Jahrzehnten wurden bei den Aufenthalten häufig Krankheiten behandelt, die durch die Industrialisierung verursacht wurden. In den 1950er und 60er Jahren stand das „Aufpäppeln“ im Mittelpunkt der Kuren, zu denen an die 5000 vier- bis 14-jährige Kinder pro Jahr vor allem aus dem Ruhrgebiet, aber auch aus dem gesamten Bundesgebiet geschickt wurden.

„Es gibt ganz unterschiedliche Berichte von Zeitzeugen. Neben neutralen oder sogar positiven Rückmeldungen berichten viele Betroffene aber von traumatischen Erlebnissen, von Einsamkeit, einem Ausgeliefertsein oder auch einem Zwang zu essen“, berichtet Jeanette Metz, Museumsleiterin der Westfälischen Salzwelten. Sie hat an dem Forschungsprojekt „Kinderkuren in Westfalen“ am Historischen Seminar der Universität Münster mitgewirkt.

Digitaler Rundgang per App

Mithilfe von Zeitzeugeninterviews und Archivrecherchen wurden die Geschichte der Verschickungskinder und die Strukturen, die vor Ort herrschten, am Beispiel Bad Sassendorf untersucht. Im Rahmen des „Citizen-Science“-Projektes, das die Perspektiven von Bürgerinnen und Bürgern einbezieht, wurde unter anderem ein digitaler Rundgang durch Bad Sassendorf per App entwickelt. Dieser gibt Einblick in die Erlebnisse des fiktiven Kurkindes Petra, die stellvertretend für viele Zeitzeugenberichte stehen.

Die Skulptur "Wundmal" der Künstlerin Heike Fischer-Nagel soll am Erinnerungsort für die Kurkinder stehen.

Die Skulptur „Wundmal“ der Künstlerin Heike Fischer-Nagel soll am Erinnerungsort für die Kurkinder stehen.

Die Skulptur wird voraussichtlich im Frühjahr offiziell präsentiert. Als Erinnerungsort soll das Werk zur Kommunikation anregen. Schließlich gebe es neben den Menschen, die als „Kurkinder“ in Bad Sassendorf waren, auch zahlreicheMenschen, die in den Kurkliniken tätig oder auf andere Weise mit dem Thema konfrontiert waren, berichtet Jeanette Metz. Die Künstlerin Heike Fischer-Nagel ist selbst Betroffene und hat sich in zahlreichen Arbeiten künstlerisch mit den Kinderkuren auseinandergesetzt.

aki, wsp

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