„Es besteht eine hohe Umstiegsbereitschaft“
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) will 2030 klimaneutral werden. Im Interview spricht Direktor Dr. Georg Lunemann darüber, wie auch der Weg zur Arbeit von über 19.000 Mitarbeitenden umweltfreundlich werden kann.
Herr Dr. Lunemann, als Direktor des LWL haben Sie sich mit dem Thema Mitarbeitermobilität beschäftigt. Warum eigentlich?
Dr. Georg Lunemann: Mit seinen vielschichtigen Aufgabenbereichen und über 200 Einrichtungen zählt der LWL zu den großen öffentlichen Arbeitgebern in der Region. Dementsprechend sind auch die Dimensionen der Mitarbeitermobilität durchaus beeindruckend: Über 19.000 Kolleginnen und Kollegen müssen zu ihrer Arbeitsstelle kommen. Zum Teil liegen die LWL-Einrichtungen verkehrsgünstig in städtischen Ballungsgebieten, zum Teil müssen unsere Beschäftigten auf ihren Arbeits- und Dienstwegen aber auch größere Entfernungen zurücklegen. Das alles verursacht ein hohes Verkehrsaufkommen und dementsprechend viele Treibhausgasemissionen – ca. 6000t CO2 allein im Jahr 2019. Damit ist der Bereich Mobilität nach den gebäudebezogenen Emissionen der zweitgrößte CO2-Emittent beim LWL. Gerade mit Blick auf das beschlossene Ziel der Klimaneutralität des LWL bis zum Jahr 2030 müssen wir also auch unsere verkehrsbedingten Emissionen reduzieren. Angestoßen haben wir das Thema bereits 2019. Wir haben dann Schritt für Schritt ein umfangreiches Betriebliches Mobilitätsmanagement beim LWL aufgebaut.
Der LWL hat eine Analyse durchgeführt zur Frage, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Arbeitsstätte pendeln. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?
Mit dem Aufbau des Betrieblichen Mobilitätsmanagements beim LWL sind wir das Thema Mitarbeitermobilität systematisch angegangen. Detaillierte Mobilitätsbefragungen in unterschiedlichen LWL-Einrichtungen und die Analyse von Mobilitätsdaten helfen uns dabei, unsere Mobilitätsangebote besser zu planen. Die Untersuchungen haben beispielsweise bestätigt, dass es – nicht ganz überraschend – auch bei uns immer noch starke Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt: So kommen an Standorten in eher ländlich geprägten Gegenden bis zu 80 Prozent der Mitarbeitenden mit dem Pkw zur Arbeit, weil es kaum eine echte Alternative gibt. Andererseits konnten wir zeigen, dass am Standort der Hauptverwaltung in Münster das Auto mit 27 Prozent deutlich hinter dem Fahrrad mit 33 Prozent liegt. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass beim ÖPNV an vielen Standorten noch Luft nach oben ist. Gleichzeitig merken wir, dass unsere Beschäftigten deutlich nachhaltiger unterwegs sein möchten und die vielfältigen Mobilitätsangebote des LWL werden immer besser angenommen: So konnten wir seit dem Start des Dienstradleasings im Februar 2022 bereits rund 1300 Mitarbeitende für dieses Angebot begeistern und auch das Pendlerportal des LWL findet guten Anklang. Insgesamt sind die gewonnenen Erkenntnisse für uns von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung von passgenauen Maßnahmen.
Wo liegen die „Knackpunkte“, wegen derer Beschäftigte nicht vom eigenen PKW auf Bus und Bahn umsteigen wollen?
Laut der durchgeführten Mobilitätsbefragungen sind die drei häufigsten Gründe, die aus Sicht der Beschäftigten für die Nutzung des eigenen Pkw sprechen, eine kürzere Fahrtzeit, ungünstige Bus- bzw. Bahnanbindungen und generell fehlende praktikable Alternativen, beispielsweise für Besorgungen und Einkäufe vor oder nach der Arbeitszeit. Gleichzeitig besteht aber auch eine hohe Umstiegsbereitschaft, wenn sich gewisse Rahmenbedingungen positiv verändern. Neben einer Ausweitung des Netzes und der Taktung von ÖPNV-Verbindungen sind kluge Konzepte für die Bewältigung der letzten Meile sowie eine bessere Zuverlässigkeit gefordert. Gerade an abgelegenen Standorten und im Schichtdienst an Tagesrandzeiten ist der motorisierte Individualverkehr aber oft noch weitgehend alternativlos. Auch hierfür müssen wir Lösungen finden. Der Umstieg auf Elektromobilität ist sicherlich eine davon.
Einige Kommunen erwägen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das 49-Euro-Ticket zu erstatten. Ist das auch ein Thema für den LWL?
Die Kostenübernahme des Deutschlandtickets durch Kommunen ist grundsätzlich ein interessanter Anreiz zur verstärkten Nutzung des ÖPNV auf Arbeits- und Dienstwegen. Der LWL ist als Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands NRW an den geltenden Tarifvertrag gebunden. Zudem sind wir als umlagefinanzierter Kommunalverband dazu angehalten, besonders wirtschaftlich und sparsam mit den uns zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln umzugehen. Wir müssen daher immer sorgfältig abwägen, welche Angebote wir im Einklang mit allen Beteiligten schaffen können und prüfen stets, ob und wenn ja in welchem Rahmen wir zusätzliche Anreize für unsere Beschäftigten auf den Weg bringen können.
Bis 2011 war der LWL an regionalen Verkehrsgesellschaften beteiligt. Wäre das jetzt wieder eine Möglichkeit, für bessere Verbindungen zu sorgen und klimafreundliche Mobilität anzuschieben?
Mit der Regionalisierung des ÖPNV in den 1990er Jahren hat das Land NRW den Kreisen und kreisfreien Städten die Rolle des Aufgabenträgers im ÖPNV zugewiesen. Sie sind seitdem für die Planung, die Organisation und die Ausgestaltung des kommunalen ÖPNV zuständig und haben dafür Zweckverbände gegründet. Der ÖPNV wird damit stärker durch die Aufgabenträger als durch die Verkehrsunternehmen gestaltet. Da der LWL als Kommunalverband aber kein Aufgabenträger im ÖPNV ist, haben wir unsere Beteiligung an regionalen Verkehrsgesellschaften beendet. An diesen Rahmenbedingungen hat sich im Wesentlichen nichts geändert, eine erneute Beteiligung an regionalen Verkehrsgesellschaften ist aber nach wie vor möglich und gegebenenfalls auch sinnvoll. Die Landschaftsverbandsordnung sieht das ausdrücklich vor. Darüber hinaus meine ich, dass wir als LWL eine Plattform bieten können, wo überregionale Mobilitätsfragen diskutiert werden können, die über die einzelnen Teilregionen hinausgedacht werden sollten. Schließlich sitzen bei uns im Westfalenparlament politische Vertreterinnen und Vertreter aus allen Kreisen und kreisfreien Städten in ganz Westfalen-Lippe. Darüber hinaus setzen wir uns sehr für bessere Verbindungen zu unseren Standorten und klimafreundliche Mobilitätskonzepte ein. Auch sind wir sehr offen für die Erprobung neuer, innovativer Mobilitätslösungen. So unterstützen wir zurzeit ein Förderprojekt für die Entwicklung einer nachhaltigen Pendlermobilität.
Neben dem Engagement für klimafreundliche Mitarbeitermobilität – gibt es beim LWL auch Ideen, wie den Besucherinnen und Besuchern der LWL-Museen der ÖPNV schmackhaft gemacht werden könnte?
Ja, die gibt es durchaus. Der LWL möchte, dass Kultur für alle erreichbar ist. Unsere Museen haben vielfältige spannende Angebote zu Themen, die gerade auch für Kinder und Jugendliche interessant sind. Der LWL hat einen Mobilitätsfonds ins Leben gerufen, der es Schulen, Kitas und Kindergärten, die im Verbandsgebiet des LWL ansässig sind, ermöglicht, einen Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten zu einem LWL-Museum oder zu einem Erinnerungsort bzw. einer Gedenkstätte zu beantragen. Darüber hinaus gibt es anlässlich bestimmter Veranstaltungen und Ausstellungen Ticket-Kooperationen mit der Deutschen Bahn oder regionalen Verkehrsgesellschaften. Allerdings liegen nicht alle Museen zentral oder sind gut mit dem ÖPNV erreichbar. Daher verfolgen wir an den Museumsstandorten, die abseits größerer Ballungszentren liegen, ein anderes Konzept. Einige dieser Standorte, wie beispielsweise das LWL-Museum Ziegelei Lage, befinden sich in unmittelbarer Näher attraktiver Radwanderrouten, weshalb wir dort in die örtliche Fahrradinfrastruktur investieren und beispielsweise Möglichkeiten zum Aufladen von E-Bike-Akkus vorhalten.
Wie fahren Sie selbst eigentlich zur Arbeit?
Ich selbst fahre seit einigen Jahren – wann immer es mein Terminkalender zulässt – mit dem E-Bike zur Arbeit. Das geht in Münster nicht nur am schnellsten, sondern man bekommt nach einem langen Arbeitstag auch den Kopf frei. Die Bewegung tut auch dem Geist gut.
Interview: Annette Kiehl, wsp
Mehr zum Thema Verkehrswende, innovative Mobilitätsangebote und die Pläne für die S-Bahn Münsterland lesen Sie im WESTFALENSPIEGEL 02/2023.